10.06.2015
Auf dem 16. Europäischen Kongress für Orthopädie, orthopädische Chirurgie und Traumatologie (EFORT) in Prag mit 7000 Teilnehmern hielt TUHH-Professor Michael M. Morlock, die „Erwin Morscher Gedächtnis Vorlesung“. „Die Einladung, diese Vorlesung halten zu dürfen ist neben der „Michael Freeman Gedächtnisvorlesung“ eine der beiden höchsten Auszeichnungen, die die EFORT bei ihren jährlichen Kongressen verleiht“, so der Leiter des Instituts für Biomechanik an der Technischen Universität Hamburg (TUHH). Morlock referierte im Prager Kongresszentrum in einem Plenarfestvortrag zum Thema „Wie wichtig ist heute noch das Implantatmaterial und der Implantattyp?“ Sein ernüchterndes Fazit: „Eine weitere Funktionsverbesserung von künstlichen Hüftgelenken kann hauptsächlich über eine bessere Aus- und Weiterbildung und weniger durch Produktinnovationen erreicht werden.“
Mittlerweile investiert das Institut für Biomechanik fast 50 Prozent seiner Arbeit in die Weiterbildung auf speziellen Schulungsveranstaltungen. TUHH-Wissenschaftler Morlock kennt das Geschäft: Als Biomechaniker hat er sich der Gesundheitsforschung verpflichtet und entwickelt präklinische Testverfahren von Gelenkersatz für die großen Gelenke des Menschen. Sein Ziel dabei ist der maximale Gewebeerhalt und die Langlebigkeit der Versorgung. "Wenn heute beim Patienten Probleme mit Implantaten auftreten, so sind diese fast immer auf zwei völlig unterschiedliche Ursachen zurückzuführen: bei den verfügbaren etablierten Prothesendesigns sind in der Mehrzahl der Fälle nicht das Design oder das Material des Implantats, sondern der Operateur oder der Patient die Verursacher. Bei neuen Implantatdesigns hingegen können in der klinischen Anwendung zuvor unbekannte Probleme auftreten, die bei der präklinischen Testung auf Grund ihrer Komplexität nicht adressiert werden konnten.“ Heute sei die gesamte Medizintechnik - und speziell Implantate und Endoprothesen - soweit entwickelt, dass die Produkte selbst kaum noch versagten. Probleme hingegen würden an der Grenzfläche zum Knochen oder zu anderen Implantatkomponenten auftreten. Die Betroffenen (Arzt, Krankenhaus, Patient) seien daran interessiert, Innovationen möglichst schnell einzuführen, auch wenn noch keine ausreichenden klinischen Erfahrungen vorlägen. Morlock: „Durch dieses Vorgehen führte in den letzten zehn Jahren eine Handvoll neuartiger Designs zu einer erhöhten Rate von Implantatversagen beim Patienten. Die großen Medizintechnikhersteller sahen sich gezwungen, die weltweit betroffenen Patienten mit insgesamt mehr als 5 Milliarden Euro zu entschädigen. Es muss dringend ein Vorgehen entwickelt werden, wie derartige Probleme in der Zukunft verhindert werden können um weitere Innovationen überhaupt zu ermöglichen. Eine schrittweise kontrollierte Einführung neuartiger Produkte in Verbindung mit einem verbindlichen Endoprothesenregister ist hierfür unerlässlich“.
EFORT
Die European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology (EFORT) ist die Dachorganisation nationaler orthopädischer Fachgesellschaften in Europa. EFORT wurde 1991 im italienischen Marentino gegründet. Heute gehören ihr 45 nationale Mitgliedsgesellschaften aus 42 Ländern und elf assoziierte wissenschaftliche Organisationen an. EFORT ist eine Non-Profit Organisation. Das Ziel der Mitgliedsgesellschaften ist es, den Austausch von wissenschaftlichem Fachwissen und von Erfahrungen in der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen des muskuloskelettalen Systems zu fordern. EFORT organisiert einen jährlichen Kongress, Seminare, Kurse, Foren und Konferenzen in ganz Europa. Ferner werden Grundlagenforschung und klinische Forschung initiiert und unterstützt.
Professor Erwin W. Morscher (1929-2008) gehörte zu den international bekanntesten und geschätzten orthopädischen Chirurgen. Er war Pionier bei der Einführung innovativer Hüftgelenksimplantate basierend auf biomechanischen Überlegungen, der Arthroskopie und der Skoliosechirurgie in der Schweiz. Seine Innovationen im Bereich der Hüftendoprothetik und der Wirbelsäulenchirurgie wirken auch heute noch fort.
TUHH - Public Relations Office
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