05.12.2013
Jahr für Jahr steigt die Zahl der Operationen in deutschen Krankenhäusern. Allein 400.000 Menschen erhalten jährlich ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk. Damit führt Deutschland bei der Menge der Hüft- und Knieendoprothesen die OECD-Statistik deutlich an. Um jedoch eventuelle Probleme bei der klinischen Anwendung mit bestimmten Prothesendesigns frühzeitig erkennen zu können, fordert Prof. Dr. Michael M. Morlock, Leiter des Instituts für Biomechanik an der Technischen Universität Hamburg, ein Endoprothesenregister (Endoprothese bezeichnet den Ersatz eines zerstörten Gelenks durch eine Prothese):
"Obwohl Deutschland Weltmeister im Implantieren von Hüft- und Kniegelenken ist, gibt es hierzulande kein verpflichtendes Register für Medizinprodukte, die in den Körper eingesetzt werden. Ich halte die Einrichtung eines solchen Endoprothesenregisters für zwingend notwendig. Damit lassen sich Gründe eines Prothesenwechsels systematisch erfassen wie auch Vergleiche innerhalb der Gütekategorien sowie über die Dauerhaftigkeit verschiedener Implantate anstellen, um eventuell gehäuft notwendige Wechseloperationen (Revisionsoperation) aufzuzeigen." Auch könne durch ein derartiges Register eine objektive Rückmeldung an die Leistungserbringer (Krankenhäuser/Operateure), Implantathersteller, Kostenträger und auch Patienten gewährleistet werden.
Der Professor verweist darauf, dass ein verpflichtendes Register bereits seit Jahrzehnten in den skandinavischen Ländern üblich sei. Schweden und Finnland gründeten bereits 1979 das weltweit erste Endoprothesenregister. Das Resultat: In Schweden sank die Zahl der jährlichen Wechseloperationen auf die Hälfte.
Morlock steht mit seiner Forderung nicht allein da. Eine permanente Qualitätskontrolle der Hüft- und Knieprothesenimplantationen, die Auswertung von Daten aus Registern und klinischen Studien sowie weitergehende Ansätze zur Qualitätssicherung durch eine Zertifizierung von Kliniken und Ärzten fordern der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) und die Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik. Sie hatten kürzlich zu einem zweitätigen, von Prof. Morlock mitorganisierten Kongress in Köln eingeladen. Rund 200 Teilnehmer diskutierten rund um das Thema "Qualitäts- und Sicherheitsinitiative - Endoprothetik 2013" unter anderem über verwendete Materialien, Implantatsicherheit und Fehlervermeidung. Bei dieser Gelegenheit unterstützte auch der geladene CDU-Politiker Volker Kauder die Forderung nach einem Endoprothesenregister. Er könne sich ein verpflichtendes Register für Hüftprothesen "durchaus vorstellen, wenn es der Sache dient ... Für uns geht es darum wegzukommen von dem reinen Fokus auf die Produktzulassung hin zu einem qualitätsgesicherten Versorgungsprozess."
TUHH-Wissenschaftler Morlock kennt das Geschäft. Als Biomechaniker hat er sich der Gesundheitsforschung verpflichtet und entwickelt präklinische Testverfahren von Gelenkersatz für die großen Gelenke des Menschen. Sein Ziel dabei ist der maximale Gewebeerhalt und Langlebigkeit. Zudem prüft er neue Ideen hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit im Menschen, um bestmöglich ein Versagen im Patienten zu verhindern. "Wenn heute beim Patienten mit Implantaten Probleme auftreten, so sind diese in der Mehrzahl der Fälle nicht auf das Design oder das Material des Implantats, sondern auf den Operateur oder den Patienten zurückzuführen. Heute ist die gesamte Medizintechnik - und speziell Implantate und Endoprothesen - soweit entwickelt, dass die Produkte selbst kaum noch versagen. Was versage, das sei das Interface zum Menschen. Dazu muss man wissen, dass die Verankerung des Produkts an der Knochengrenzfläche präklinisch nicht standardisiert getestet wird. Getestet wird immer nur das Produkt an sich und nie, wie es dann hinterher wirklich verwendet wird", so Morlock (Quelle: Bundesverband Medizintechnologie e.V. in Med.Tech. 04/13)
Ein "Endoprothesenregister Deutschland" (EPRD) zur Erfassung der Hüft- und Knieproblematik in Deutschland ist seit April im Aufbau. Kassen und Kliniken entscheiden freiwillig, ob sie mitmachen oder nicht. Getragen wird das Register von der EPRD gGmbH, einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie.
Morlock dazu: "Dies ist ein sehr wichtiger erster Schritt zur Einrichtung eines verpflichtenden Registers. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass sich die Politik schnellstmöglich des Registers annimmt und dieses gesetzlich verankert. Nur beim Einschluss von deutlich über 90 Prozent der Eingriffe kann das Ziel des Registers zeitnah erreicht werden."
Weitere Informationen:
Professor Dr. Michael Morlock
Tel.: +49 40 428 78 30 53
Fax: +49 40 428 78 29 96
Homepage: http://www.tuhh.de/bim/
E-Mail: morlock@tuhh.de
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