22.01.2013
"Unsere Betriebe sind an Kooperationen mit Hochschulen interessiert. Der Forschungsnachmittag an der TUHH hat deutlich die Schnittstellen zwischen Forschung und Wirtschaft aufgezeigt", sagte Dr.-Ing. Armin Bossemeyer vom Verband der Metall- und Elektroindustrie e.V.
Zu ihrem zweiten Forschungsnachmittag in Folge hatte die Technische Universität Hamburg (TUHH) eingeladen. Rund 150 Gäste aus Wissenschaft, Forschung und Gesellschaft verfolgten die Veranstaltung im Audimax II. Inhaltlich vorgestellt wurden die in dem Kompetenzfeld "Aviation and Maritime Systems" gebündelten Fachkompetenzen "Luftfahrttechnik", "Logistik und Mobilität" sowie die "Maritimen Systeme und Strukturen".
Wo die Forschungsbedarfe bei Flugzeugen, Schiffen, meerestechnischen Themen und der Logistik liegen, beschrieben Referenten aus Wirtschaft und Wissenschaft in sechs Vorträgen.
"Unser Ziel ist es, die Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen, der Industrie und der Wirtschaft sowie den Behörden zu verstärken, um gemeinsam Lösungen für die herausfordernden Zukunftsfragen zu finden", sagte Vizepräsident Professor Dr.-Ing. Jürgen Grabe zur Begrüßung der Gäste.
Mit den ansässigen Branchenriesen Airbus und Lufthansa Technik sowie vielen mittelständischen Luftfahrttechnik-Spezialisten ist Hamburg ein weltweit herausragender Standort der zivilen Luftfahrtindustrie - und damit prädestiniert für den Forschungsschwerpunkt Luftfahrttechnik. Durch die aktive Kooperation von Industrieunternehmen und den beteiligten TUHH-Instituten werden sowohl die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen als auch die Ausbildung technisch-wissenschaftlich qualifizierter Arbeitskräfte nachhaltig und langfristig gesichert. Das Besondere an der Forschungskompetenz der TUHH liegt nicht nur in der ingenieurwissenschaftlichen Expertise, sondern in dem hohen Maß an Interdisziplinarität. Forschungsarbeiten, z.B. zur Brennstoffzellenintegration oder zu Safety & Security-Themender Kabine, werden über Fachgrenzen hinweg von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen betreut. Und diese Form der fachübergreifenden Bearbeitung wird von der Industrie stark nachgefragt.
Über Zukunftsaufgaben aus Sicht der Luftfahrtindustrie sprach Fabian von Gleich vom Airbus Konzern. Die TUHH sei der größte Hochschulpartner des Konzerns, so der Manager für Strategy und Development, der Maschinenbau an der TUHH studierte. Jährlich werden von der Technischen Universität Hamburg Leistungen über zwei bis drei Millionen Euro im Bereich der Forschung & Entwicklung in Zusammenarbeit mit Airbus auf den Weg gebracht. Am Beispiel des neuen zweistrahligen Großraumflugzeugs A350 führte TUHH-Alumnus von Gleich aus: "Bereits in der frühen Entwicklungsphase unterstützte uns Hamburgs TU". Er verwies auf die Entwicklung der Flugzeugflügel aus carbonfaserverstärktem Kunststoff, kurz CFK genannt. Der A350, konzipiert für lange Strecken über 15.000 Kilometer, wird erstmals in diesem Jahr ausgeliefert. Ebenfalls begleitete die TUHH das Konzept der Rumpfmontage, und Airbus nutzte zu Testzwecken den TUHH-eigenen Hexapod, eine weltweit einzigartige Prüfanlage für Faserverbundwerkstoffe. Die Großanlage ermöglicht in einem universitären Umfeld mechanische Tests von größeren Bauteilen aus Faserverbundwerkstoffen unter komplexen realen Bedingungen. Die Anlage ist für die Erforschung und Entwicklung energiesparender Verbundwerkstoffe für Flugzeuge, Windkraftanlagen und Autos von zentraler Bedeutung.
Seitens der Hochschule ergänzte Professor Dr.-Ing. Otto von Estorff die Liste aktueller und zukünftige Themen der Luftfahrtforschung. Allein 14 TUHH-Institute beschäftigen sich mit dem Thema.
"Die Institute betreiben intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit. Auf diese Weise kann das Fachwissen der Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachdisziplinen, wie beispielsweise Akustik, Thermodynamik, Systemtechnik, Konstruktion und Verbundwerkstoffe, effektiv zusammenfließen", so von Estorff, Leiter des TUHH-Instituts für Modellierung und Berechnung. Auch beinhaltet die Agenda die Erforschung des multifunktionalen Einsatzes neuer regenerativer Brennstoffe, wie Algen. Denn Airbus verfolgt das ehrgeizige Ziel, den CO2-Ausstoß - trotz des weltweiten Wachstums der Branche - nicht anwachsen zu lassen.
Prof. Dr.-Ing. Heike Flämig machte in ihrem wissenschaftlichen Beitrag zum Themenfeld "Logistik und Mobilität für eine zukunftsfähige Wertschöpfung" deutlich, dass die Mobilität von Gütern, Personen und Informationen strategischer Erfolgsfaktor von Volkswirtschaften ist. Sie führte aus, dass Wertschöpfung nur dann zukunftsfähig sein kann, wenn sie Werte von Dauer schafft, indem sie verantwortlich mit der Umwelt, den Menschen und der Gesellschaft umgeht und dadurch langfristig wirtschaftlich erfolgreich ist. An der TUHH werden daher in verschiedenen Teilprojekten Fragen zur Gestaltung der inner- und überbetrieblichen Wertschöpfung sowie von Transportnetzen und logistischen Knoten, deren Informationslogistik sowie zur Gestaltung der Raumüberwindung und der Verkehrsnetze interdisziplinär bearbeitet.
Dafür verfügen die beteiligten Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure über eine Vielzahl an Methoden und Techniken. Beispielsweise entwickelte das Institut für Maritime Logistik einen Multi-Touch Planungstisch, womit unterschiedliche Hafenprozesse wie Lösch- und Ladevorgänge von Containerschiffen oder die Art der Lagerstruktur abgebildet, analysiert und bewertet werden können.
Die Zukunft der Logistikbranche auf der Straße umriss Holger Schneemann, Leiter der Niederlassung der DHL Freight GmbH in Hamburg. Innerhalb der Thematik "Verkehr vermeiden - Logistik gestalten" zeigte er das Spannungsfeld zwischen Verkehr und Infrastruktur auf. Die Branche erwartet bis 2015 fast eine Verdoppelung des Hinterlandverkehrs von 7,9 Millionen TEU in 2010 auf 14 Millionen TEU allein für die Metropolregion Hamburg (TUE-Twenty-foot Equivalent Unitentspricht einem 20-Fuß-ISO-Container, dem deutschen Standardcontainer). "Das ist ein Prognose, die uns ins Chaos führt, wenn es nicht gelingt, den Verkehrsfluss zu organisieren", sagte Schneemann. Schon heute setzt DHL auf eine intelligente Tourenplanung und den Einsatz eines ressourcenschonenden Equipments, um letztlich Kilometer und Kosten zu sparen. Holger Schneemann bestätigte: "Dies alles funktioniert nur mit der Unterstützung von Forschung und Wissenschaft."
Ziel des TUHH-Forschungsbereichs "Maritime Systems" ist es, sich mit den aktuellen Fragen des Schiffbaus und der Meerestechnik zu beschäftigen und auf diese Weise Lösungen zu finden, die die Zukunft der maritimen Wirtschaft in Hamburg und Europa langfristig sichern.
"Die maritime Industrie kämpft ums Überleben. Dieser Situation kann nur begegnet werden, wenn europäische Schiffe tatsächlich so viel besser sind, wie sie teurer sind. Durch Forschung und Entwicklung ermöglichen wir das Überleben der deutschen Schiffbauindustrie", erklärte Professor Dr.-Ing. Stefan Krüger und forderte neben dem Erhalt der bestehenden F&E-Aktivitäten deren Ausbau. In dem interdisziplinär ausgerichteten Schwerpunkt "Maritime Systems" beschäftigen sich Forscher und Forscherinnen der TUHH unter anderem mit Fragen rund um den gefahrlosen Bau und den Betrieb von Schiffen, untersuchen wirtschaftlichere Produktionsverfahren und effizientere Systeme an Bord und widmen sich Themenfeldern wie der Sicherheit von Offshore-Bauwerken, Ölplattformen und Windenergieanlagen und neuen Konzepten zum maritimen Transportwesen. Die Idee ist, langfristig Lösungen für drängende Zukunftsfragen im Schiffbau und der Meerestechnik zu finden. Für Unternehmen aus diesen Branchen ist das eine gute Chance, sich eng mit der Wissenschaft zu vernetzen.
Einblick in die Abteilung Forschung und Entwicklung der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft mbH & Co. KG (FSG) gewährte der Ingenieur und TUHH-Alumnus Dr. Broder Hinrichsen. Das traditionsreiche Unternehmen beschäftigt 700 Mitarbeiter, ist spezialisiert auf den Bau von RoRo- und Passagierschiffen und hat im vergangenen Jahr den Auftrag für den Bau zweier Offshore-Schiffe eingeholt, die weltweit eingesetzt werden sollen, um Erdöl und Erdgas unter dem Meeresgrund zu suchen. Den Erfolg des Unternehmens auch in Zeiten der Wirtschaftskrise führt Hinrichsen, Abteilungsleiter Forschung und Entwicklung, auf die umfangreiche Beteiligung der Gesellschaft an immerhin 16 Forschungsvorhaben zurück:
"Ohne Forschung würde es uns nicht mehr geben. Die Forschung der Werft dient der Produktentwicklung im eigenen Haus. Ohne geförderte Forschung wäre eine Entwicklung innerhalb der Werft nicht möglich gewesen." Das Gesamtvolumen der Vorhaben beläuft sich auf sieben Millionen Euro. "Im Jahresdurchschnitt haben wir in den vergangenen drei Jahren jährlich 2,2 Millionen Euro in die Forschung außerhalb unseres Hauses investiert. Damit sind wir führend in Deutschland", sagt Hinrichsen. Zahlreich seien die Vorteile, die die Zusammenarbeit mit Hochschulen nach sich ziehe: Von der Einbindung in das Netz maritimer Industrie über die Rekrutierung von Nachwuchs bis hin zur Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter.
Das anschließende "Get Together" nutzen Besucher und Angehörige der TUHH als willkommene Gelegenheit zu anregenden Gesprächen für die Vertiefung und Verbesserung der Zusammenarbeit.
Dazu Ute Sachau-Böhmert von der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (zuständig für den Bereich Fachkräfte) der Hansestadt Hamburg: "Der Forschungsnachmittag ermöglicht im Schnelldurchlauf einen guten und kompakten Überblick über die Aktivitäten an der TUHH im jeweiligen Kompetenzfeld. Darüber hinaus führt diese interdisziplinäre Veranstaltung - in der neben Wissenschaftlern auch Wirtschaftsexperten zu Wort kommen - vor Augen, dass eine wirtschaftlich erfolgreiche Umsetzung von Ideen und Erfindungen aus der Forschung nur mit Unterstützung von Unternehmen gelingen kann."
TUHH - Public Relations Office
Martina Brinkmann
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