TUHH erforscht Ölkatastrophe von Mexiko unter Tiefseebedingungen

21.05.2012

Prof. Dieter Krause, Dipl.-Ing. Katrin Laqua, Andreas Meyer, Prof. Rudolf Müller, Prof. Michael Schlüter, Prof. Scott Socolofsky, Dipl.-Ing. Ralf Seemann, Prof. Giselher Gust, Dr.-Ing. Ana Gabriela Valladares Juárez (v.l.)
Prof. Dieter Krause, Dipl.-Ing. Katrin Laqua, Andreas Meyer, Prof. Rudolf Müller, Prof. Michael Schlüter, Prof. Scott Socolofsky, Dipl.-Ing. Ralf Seemann, Prof. Giselher Gust, Dr.-Ing. Ana Gabriela Valladares Juárez (v.l.)
Foto: TUHH

Drei Harburger Institute sind in einem hochkarätig besetzten internationalen Projekt eingebunden. Daran beteiligt sind vor allem Universitäten aus USA, Kanada und Holland

Im April 2010 explodierte die Bohrinsel „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko. In etwa 1500 m Tiefe kam es innerhalb von drei Monaten zu einem Ölaustritt von bis zu einer Million Tonnen. Das Öl verunreinigte Meer und Küsten. Zwei Jahre danach gehen Wissenschaftler der Technischen Universität Hamburg dem Unglück sprichwörtlich auf den Grund. Das interdisziplinäre Team aus Konstruktionstechnik, Strömungsmechanik und Bioverfahrenstechnik arbeitet gemeinsam mit 60 Partnern in dem Kooperationsprojekt C-IMAGE (Center of Integrated Modeling and Analysis of the Gulf Ecosystem). Daran beteiligt sind neben der TUHH vor allem Universitäten aus den USA, Kanada und Holland. Das Projekt fördert die amerikanische Gulf of Mexico Research Initiative über drei Jahre mit elf Millionen US-Dollar.

"Nach dem Unglück wurde deutlich, dass die heutige Wissenschaft kaum etwas über das Verhalten von Öl in der Tiefsee und die Folgen weiß", sagt Prof. Dr.-Ing. Michael Schlüter, Leiter des Instituts für Mehrphasenströmungen. „Bei dem unkontrollierten Austritt von Öl und Gas in 1500 Meter Wassertiefe treten extreme Bedingungen auf die zu einem komplexen Mehrphasengemisch aus Methan, Hydrat, Öl und Wasser führen, das bisher nicht beschrieben werden kann“, so Prof. Schlüter. Dazu zählen Druckverhältnisse auf dem Meeresgrund von 150 bar sowie Temperaturschwankungen bis zu 100 Grad Celsius Öltemperatur und vier Grad Wassertemperatur.

Weil immer noch nicht berechnet werden kann, mit welcher Geschwindigkeit und wie sich das Öl im Meer ausbreitet, können Schutzmaßnahmen, Folgeabschätzungen und Renaturierungen nur unzureichend durchgeführt werden. Ölteppiche werden in unterschiedlichen Wassertiefen mit unabsehbaren Folgen für Flora und Fauna vermutet.

Ziel des Kooperationsprojekts ist es, die physikalischen, chemischen, biologischen und geologischen Vorgänge während des Ölaustritts in der Tiefsee und die Folgen der Ölverschmutzung für die Umwelt zu untersuchen.

Daran arbeiten die Forscher der TU. Sie werden in den nächsten Jahren Untersuchungen im Bereich der Ölverbreitung und der biologischen Abbaubarkeit des Öls durchführen. Dabei werden in dem am Institut für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik (Prof. Dr.-Ing. Dieter Krause und Prof. Dr. Giselher Gust) stehenden Drucklabor die in der Tiefsee herrschenden Bedingungen nachgestellt und Drücke bis zu 500 bar aufgebaut werden. Das Drucklabor ermöglicht, Versuche unter nahezu realen Bedingungen durchzuführen.

Am Institut für Technische Biokatalyse wird der Einsatz von speziellen Öl abbauenden Bakterien unter Tiefseebedingungen untersucht. Hier stellen die bereits vor einigen Jahren durchgeführten Versuche von Prof. Rudolf Müller bezüglich Öl abbauender Bakterien, für die geplanten Versuche eine ideale Grundlage dar.

Das Institut für Mehrphasenströmungen (Prof. Dr.-Ing. Michael Schlüter) führt Experimente zur Analyse der Strömungsprozesse am Bohrloch durch und erarbeitet Berechnungsmodelle.

Die bei diesem Projekt erzielten Ergebnisse dienen dem besseren Verständnis von Ölaustritten in der Tiefsee und sollen helfen, die Ausmaße einer solchen Katastrophe zu minimieren. Dazu Michael Schlüter: „Unsere Daten nutzt Prof. Scott Socolofsky von der Texas A&M University. Er hat ein Modell entwickelt, mit dem sich die Ausbreitung des Öls in der Bucht von Mexiko gut berechnen lässt; allerdings benötigt er Eingangsparamenter, die wir anhand unserer Experimente bestimmen. Dazu gehört gleichfalls die Messung der Aufstiegsgeschwindigkeit der Blasen aus dem Öl/Gasgemisch, die wir in unserem Institut simulieren und ohne die sich die Ausbreitung des Öls nicht berechnen lässt.“

In enger Zusammenarbeit mit der Texas A&M University (USA) und der University of Calgary (Canada) werden die physikalischen Zusammenhänge erarbeitet und Berechnungsmodelle erstellt. Zum Auftakt des Projektes besuchte aktuell Prof. Socolofsky die TUHH und berichtete im Rahmen eines verfahrenstechnischen Kolloquiums über derzeitige Methoden und Modelle zur Beschreibung des Deepwater Horizon Blow Out. „Blow Out“ steht für das unkontrollierte Austreten von Öl aus seiner Quelle.

„Für die Untersuchung des Vorfalls, inklusive der Auswirkungen auf die Umwelt, der Ölverbreitung und der Abbaubarkeit des Öls, stellte BP der Gulf of Mexico Research Initiative (GRI), einer unabhängige Institution, 500 Millionen US-Dollar zur Verfügung. Im August letzten Jahres wurde das bei der (GRI) eingereichte Projekt C-IMAGE zur Untersuchung der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko genehmigt.

Was aber rückte die Technische Universität Hamburg in den Fokus der amerikanischen Forscherelite? Es ist der emeritierte Professor für Meerestechnik Giselher Gust. Er lehrte und forschte von 1976 bis 1992 unter anderem in Hawaii und Florida und ist Entwickler des Drucklabors, in dem die Verhältnisse am Meeresboden simuliert werden können. Da es ein vergleichbares Gerät an amerikanischen Forschungseinrichtungen nicht gibt, stehen der Professor und seine Erfindung derzeit hoch im Kurs.

Kontakt:
Prof. Dr.-Ing. Michael Schlüter
Technische Universität Hamburg-Harburg
Institut für Mehrphasenströmungen (V-5)
Technikum, Geb. O
Eißendorfer Straße 38
21073 Hamburg
040 – 42878-3252
http://www.ims-tuhh.de/


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Martina Brinkmann
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