21.10.2011
In Zeiten von Internet, Wikipedia, Google und visueller (Hilfs-)Mittel der Kommunikation stellt sich die Frage nach dem sinnvollen und effektiven Umgang mit Wissensinhalten. Welche Rolle spielen Grafiken, Fotos, Zeichnungen, Gemälde heute noch bei der Vermittlung und der Aneignung von Wissen? Prof. Dr. h. c. Peter Weibel, Vorstand des Zentrums für Kunst und Medientechnologie, wird diesen Aspekt in seinem Vortrag „Wissen visualisieren" im Rahmen einer Ringvorlesung an der TU Hamburg am Dienstag, 25. Oktober, 18 Uhr, im Audimax II, beleuchten und auf seine Aktualität in der Wissenschaft und Lehre überprüfen.
Peter Weibel leitet seit 1999 das Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karslruhe. Der studierte Mathematiker und Philosoph setzt darin konsequent sein Verständnis eines modernen Museums um, das nicht länger allein nur Malerei und Skulptur, sondern auch Fotografie, Film, Video, Computer, Aktion, Performance, Installation, Architektur und Design berücksichtigen müsse, wenn es den künstlerischen Praktiken seiner Zeit folgen wolle. Das Museum der Zukunft müsse außerdem zum Produzenten werden und zu einer Forschungsstätte. Das ZKM ist das erste Museum, das Wissenschaftler anstellt, um Grundlagenforschung zu betreiben. Weibel beeinflusst in seiner Funktion als Lehrer an Universitäten und langjähriger Leiter von Institutionen – wie der Ars Eletronica, Linz, dem Institut für Neue Medien, Frankfurt/Main, und dem ZKM – besonders die europäische Szene der so genannten Computerkunst durch Konferenzen, Ausstellungen und Publikationen.
Anlass seines Gastvortrages an der TU Hamburg im Rahmen der Ringvorlesung „Nützlichen und Schönen– Begegnungen von Technik und Kunst“ ist die Ausstellung „Atlas. How to Carry the World on One’s Back?“ in der Sammlung Falckenberg/Deichtorhallen Hamburg, nur wenige Schritte vom Campus’ der TU entfernt. Im Zentrum der Schau steht die Visualisierung von Wissen - sei es in Form einer Sammlung geographischer Pläne, naturwissenschaftliche Atlanten, als Enzyklopädie, Bildwörterbuch oder als Bildarchiv, welches auf systematische oder assoziative Weise eine Fülle von Themen und Zusammenhängen verdeutlichen und veranschaulichen will. Gezeigt werden Fotografien von Bernd und Hilla Becher, Filme von Jean-Luc Godard, Bilder von Francesco de Goya, Robert Rauschenberg, Gerhard Richter. Anstelle der Werke von Künstlern wurden die Quellen zusammengetragen, aus denen sie geschöpft haben. Um auf diese Weise Einblicke in den oft verborgenen Vorgang zu gewinnen, der Schaffensprozess genannt wird. Doch die Ausstellung «Atlas», die das Museo Reina Sofia in Madrid zusammen mit dem ZKM und der Sammlung Falckenberg auf die Beine stellt, will noch viel mehr: Ihr Namensgeber schulterte bekanntlich die ganze Welt.
Vom „Nützlichen und Schönen – Begegnungen von Technik und Kunst“
Der Gastvortrag bildet den Auftakt der fünfteiligen Ringvorlesung „Vom „Nützlichen und Schönen– Begegnungen von Technik und Kunst“ im Wintersemester 2011/12, organisiert vom Graduiertenkolleg „Kunst und Technik“ sowie der Kunstinitiative an der TUHH. Die weiteren Themen und Referenten: „Die (Un-)sichtbarkeit der Welt“ (15.11.2011), Peter Matthias Gaede, Chefredakteur Geo-Magazin, Hamburg; „Zum Gesundwerden – moderne Krankenhaus-Architektur“ (6.12.2011), Prof. Christine Nickl-Weller; „Wie das Neue in die Welt kommt“ (17. 01. 2012), Prof. Michael Hutter; „Stadtentwicklung und Kultur – zusammendenken, was zusammengehört“ (31.01.2012), Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler. Die Vorträge im Audimax II, Denickestraße 22, beginnen jeweils um 18 Uhr.
Visualisierung von Wissen
Die Visualisierung von Wissen hat kulturhistorisch eine lange Tradition und steht nicht zuletzt in einem engen Zusammenhang mit der Philosophie der Aufklärung. Im 18. Jahrhundert avancierte der Bildatlas zu einem eigenständigen wissenschaftlichen Genre, welches sich im 19. Und 20. Jahrhundert in den verschiedenen Disziplinen, in den Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften, der Geschichte und Literaturgeschichte, der Astrologie, der Botanik und der Medizin immer mehr ausdifferenzierte.
„Atlas“ – und „Mnemosyne“ von Aby Warburg
Den Ausgangspunkt der Wanderausstellung „Atlas“ bildet der in Hamburg zwischen 1924 und 1929 zusammengestellte, unvollendet gebliebene Bilderatlas »Mnemosyne« von Aby Warburg. Der Hamburger Kunsttheoretiker und Kulturwissenschaftler hatte auf 60 Tafeln etwa 2000 Bilder aus Kunst- und Kulturgeschichte zusammengestellt, die er nach Bedarf neu arrangierte. In der Art der Auseinandersetzung mit diesen Bildern ging Warburg völlig neue Wege und führte eine radikal neue Fragestellung in die bestehende Auffassung von Kunst und Wissenschaft ein. Sein berühmter Bilderatlas veranschaulicht, wie manche Motive über Länder- und Zeitgrenzen hinweg übernommen und uminterpretiert wurden. Bis heute genießt Aby Warburg als einer der wenigen Hamburger im Ausland höchste Anerkennung nicht zuletzt für seine bahnbrechenden Arbeiten in diesem Genre. Ähnlich wie Warburg damals gingen und gehen etliche Künstler vor, wenn sie Material sammeln: Indem sie Fundstücke und Momentaufnahmen nach eigenen Regeln kombinieren, setzen sie gleichsam die Welt aus ihrer Sicht zusammen.
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Jutta Katharina Werner
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