19.04.2022
Seit dem kriegerischen Angriff Russlands ist das Leben für Ukrainerinnen und Ukrainer nicht mehr wie es einmal war. Viele sind auf der Flucht oder versuchen, ihr Land zu verteidigen. Die Zukunft der Ukraine ist ungewiss. An der Technischen Universität Hamburg sind zum Sommersemester insgesamt 13 ukrainische Studierende eingeschrieben. Zwei von ihnen, Olha Sukharska und Maksym Kan, haben über ihre Heimat und die Bedeutung des Krieges für ihre persönliche Zukunft mit uns gesprochen.
Olha Sukharska, 24 Jahre alt, Computer Science
Ohla kommt aus Juschnoukrajinsk, einer Stadt im Süden der Ukraine. 2016 ist sie für ihr Studium an der TU Hamburg nach Deutschland gezogen. Ihre Schwester wohnt in den USA, ihre Mutter in Kyiv.
„Zuerst konnte ich es einfach nicht glauben. Wie betäubt habe ich stundenlang durch den Newsticker auf meinem Handy gescrollt, um zu verstehen, was gerade passiert. Die Welt um mich herum war wie auf Pause gestellt, ich konnte an nichts anderes mehr denken. Am meisten Angst hatte ich um meine Mutter in Kyiv. Sie hat zuerst versucht, mich zu beruhigen. ‚Es ist nicht so schlimm, alles wird gut’, hat sie gesagt.“
Ihre Mutter musste sich im Anschluss an das Telefonat in einen Luftschutzbunker in Sicherheit bringen, als Kyiv bombardiert wurde. Drei Tage verharrte sie dort, bevor es Olha und ihrer Schwester gelang, sie zur Flucht nach Deutschland zu überreden. Olhas Mutter ist nun seit zwei Wochen in Hamburg, gemeinsam leben die beiden in einer Wohnung in Eimsbüttel. In einem fremden Land zurechtzukommen, in dem man die Sprache nicht spricht und die Menschen vor Ort nicht kennt, fällt Olhas Mutter nicht leicht. Die neue Situation sei nur schwer für sie zu ertragen.
„Natürlich kann man einfach woanders ein neues Leben anfangen. Aber das ist nicht das Gleiche. Meine Mutter musste alles zurückzulassen, ihr zu Hause, ihre Freunde, ihr ganzes Leben in der Ukraine. Sie ist nur geflohen, weil ihr Überlebensinstinkt auf Autopilot geschaltet hat. Und wie ihr, geht es vielen Menschen in der Ukraine. Sie wollen nicht gehen.“
Olha sagt, mittlerweile habe sie die Situation akzeptiert. Sie will ihr Studium beenden und stark bleiben für ihre Verwandten, die immer noch in der Ukraine sind. Um von Deutschland aus zu unterstützen und ein Zeichen gegen den Krieg zu setzen, geht sie auf Demonstrationen. Hier hat sie das Gefühl, nicht alleine zu sein und etwas bewirken zu können.
„Zusammen sind wir laut. Wenn man denkt, dass man sowieso nichts ändern kann und nur stumpf wartet, dass es aufhört, gibt man einfach die Verantwortung ab. Wenn Leute ihren Unmut äußern, bewirkt das etwas. Das ist Demokratie. Ich hoffe, dass auch weiterhin viele Menschen auf die Straßen gehen.“
Maksym Kan, 22 Jahre alt, Logistik und Mobilität
Maksym wurde in der Nähe von Donezk geboren und ist 2015 mit seinen Eltern nach Deutschland gezogen. Hier ist er zur Schule gegangen und hat im Wintersemester 2020/2021 sein Studium an der TU Hamburg begonnen.
„Ich weiß noch genau, wie mich am 24. Februar früh morgens mein bester Freund angerufen hat und gesagt hat ‚Es ist Krieg.‘ Ich war einfach nur sprachlos, ich konnte es nicht glauben, dass im 21. Jahrhundert ein demokratisches Land einfach so angegriffen und bombardiert wird.“
Seitdem schaut Maksym rund um die Uhr die Nachrichten und telefoniert mit seinen Verwandten und Freunden, um zu erfahren, wie es ihnen geht. Sie sind in den Westen der Ukraine geflohen, wo es weniger Angriffe gibt als in anderen Teilen der Ukraine.
„Bisher sind sie dort noch relativ sicher. Aber wer weiß, wie lange noch. Ich hoffe sehr, dass die Situation nicht zur Gewohnheit wird und die Ukraine in Vergessenheit gerät. Schon jetzt schocken manche Bilder nicht mehr so sehr wie am Anfang, das macht mir Angst.“
Maksym lebt bereits seit sieben Jahren in Deutschland, trotzdem bleibt seine Heimat die Ukraine. Es schmerzt ihn, jeden Tag die Bilder von verletzten Menschen und zerstörten Häusern und Städten in den Nachrichten zu sehen. Eins steht für ihn fest: Wenn der Krieg vorbei ist, will er in die Ukraine fahren, sein Wissen als Logistiker teilen und beim Wiederaufbau helfen.
„Ich merke, dass der Zusammenhalt wächst. So viele Menschen spenden oder gehen auf Demos. Und auch meine Kommilitonen haben mir geschrieben und gefragt, wie es mir und meiner Familie geht. Seit dem Krieg fühle ich mich noch mehr wie ein Ukrainer als vorher. Dieses Gefühl der Gemeinschaft wird uns auch beim Wiederaufbau helfen.“
Studierende aus der Ukraine können sich in Notlagen an das International Office der TU Hamburg wenden https://www.tuhh.de/tuhh/ … entists-from-ukraine.html.
Außerdem bietet die Studierendenberatung psychologische Hilfe an: Die Infothek ist über die Mailadresse studierendenberatung@tuhh.de oder über die Telefonnummer 040/428 78-2232 zu erreichen.
TUHH - Public Relations Office