20.01.2023
Breite Fahrradwege, pünktliche Bahnen, mehr Elektrobusse. So stellen sich viele den nachhaltigen Verkehr von morgen vor. Welche Maßnahmen Hamburg treffen sollte und welche Rolle die richtige Kommunikation dabei spielt, darüber haben wir mit Dr. Philine Gaffron, Oberingenieurin am Institut für Verkehrsplanung und Logistik der Technischen Universität Hamburg, gesprochen.
Die Mobilität der Zukunft soll nachhaltig sein. Wie weit ist Hamburg im Vergleich zu anderen Städten?
Da spielen verschiedene Aspekte eine Rolle – wie etwa lebenswerter öffentlicher Raum. In Hamburg steigt allerdings die Anzahl der PKW, und zwar überproportional zum Bevölkerungswachstum. Damit stehen wir nicht allein da, aber in Berlin zum Beispiel ist die Pkw-Dichte deutlich geringer. Und dort werden auch mehr Wege mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zurückgelegt. Ein weiterer Aspekt ist die soziale Teilhabe: Hamburg wird immer wieder für die zu hohen Sozialtarife im ÖPNV kritisiert. Auch hier zeigt der Vergleich mit Berlin, dass es anders geht. Momentan gibt es dort das 29-Euro-Ticket, in Zukunft soll es für Grundsicherungsempfänger∗innen wieder ein 9-Euro-Ticket geben. Und ganz zentral ist natürlich der Klimaschutz. Laut Hamburger Klimaplan sollen die CO2-Emissionen insgesamt bis 2030 um 70 Prozent reduziert werden. Um das zu schaffen, muss aber deutlich mehr getan werden, als das bisher der Fall ist.
Hamburg soll als „Metropol-Modellregion Mobilität“ etabliert werden. Dabei geht es auch um die Digitalisierung des Verkehrs und um autonomes Fahren. Wie bewerten Sie diese Maßnahmen?
Autonomes Fahren ist wie Elektromobilität – es ist ein Werkzeug, das man einsetzt, um bestimmte Ziele zu erreichen. Autonome S- und U-Bahnen können zum Beispiel eine dichtere Taktung ermöglichen und auch angesichts des Fachkräftemangels beim Fahrpersonal von Nutzen sein. Andererseits zeigen Untersuchungen, dass sich viele Fahrgäste mit anwesendem Zugpersonal sicherer fühlen. Technisch machbar und sinnvoll heißt also nicht automatisch auch sozial verträglicher.
Was müsste neben der Digitalisierung noch getan werden, um die Mobilität in Hamburg zukunftsweisend auszurichten?
Es braucht Maßnahmen, um den motorisierten Individualverkehr zurückzuschrauben: Eine Straßenraumumverteilung, bei der mehr Platz für Fuß- und Radverkehr, für den ÖPNV, für öffentliches Leben und Begegnungen sowie für Straßengrün und Wasserflächen geschaffen wird. Dafür müssten zum Beispiel Parkplätze weichen. Wenn Autos im Durchschnitt 23 Stunden am Tag stehen, ist das volkswirtschaftlich gesehen völliger Unsinn. Die Stadt steht hier in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen für Mobilitätsentscheidungen zu verändern. Das reicht von Tempo-30 Regelungen über Zufahrtsbeschränkungen für Verbrennermotoren, bis hin zu verhaltenswirksamen Parkgebühren. Sichere, attraktive Angebote für Fuß, Rad und ÖPNV und die Reduktion des motorisierten Individualverkehrs sind also zwei Seiten derselben Medaille – das eine geht nicht ohne das andere.
Stellen wir uns vor, wir wären in einer perfekten Welt: Wie sähe Ihrer Meinung nach der Verkehr in Hamburg aus?
Mein Zielbild ist eine leistbare, sichere, gesunde und alltagstaugliche Mobilität für alle und einen zukunftsfähigen Wirtschaftsverkehr. Das Verkehrssystem soll ein qualitätsvolles Leben und eine stabile Kreislaufwirtschaft ermöglichen, die Hamburgs Anteil an den planetaren Ressourcen nicht überschreitet. Wichtig ist mir dabei auch, dass wir mit ehrlicher und klarer Kommunikation die oft verhärteten Fronten zwischen verschiedenen Interessensgruppen abbauen. Das große Ziel heißt zwar immer Klimaschutz, aber dabei geht es im Endeffekt doch um Menschenschutz. Dass wir unser Leben weiter in guter Form ermöglichen, das sollte im Interesse aller sein.
Eine Kommunikationsveranstaltung findet auch nächste Woche an der TU Hamburg statt. Worum wird es gehen?
Bei „Mobilitätswende - Perspektiven und Innovationen für Hamburgs Süden“ wollen wir unter anderem mit dem Verkehrssenator Dr. Anjes Tjarks über die Mobilität in Hamburg, insbesondere in Harburg sprechen. Außerdem stellen meine Kolleginnen und Kollegen das Projekt KoGoMo vor, bei dem es um die Einführung neuer Mobilitätsangebote geht, und präsentieren den autonomen Transportroboter Laura.
Was? „Mobilitätswende - Perspektiven und Innovationen für Hamburgs Süden“
Wann? 26. Januar 2023 von 17 bis 19 Uhr
Wo? TU Hamburg, Audimax II, Denickestr. 22
Anmeldung bis zum 23.01.2023 unter https://intranet.tuhh.de/anmeldung/mobilitaetswende
TUHH - Pressestelle