17.02.2023
Als letztes Hamburger Heizkraftwerk soll Tiefstack bis spätestens 2030 durch verschiedene klimaneutrale Wärmelösungen ersetzt werden. Die Abkehr von Kohle soll unter anderem mit einem unterirdischen Wärmespeicher gelingen. Seine Realisierung untersuchen Professor Arne Speerforck und sein Team der Technischen Universität Hamburg im Rahmen des Norddeutschen Reallabors (NRL), Deutschlands größtem Verbundprojekt für die Energiewende. Im Interview erklärt der Energietechniker, was hinter der neuen Technologie steckt und warum er die geplanten Maßnahmen für sinnvoll und richtig erachtet.
Wie funktioniert ein saisonaler Aquiferwärmespeicher?
Ein Aquiferspeicher ist ein unterirdischer Speicher, der thermische Energie aufnimmt, hält und wieder abgeben kann. Dabei wird Thermalwasser einer natürlich vorkommenden, wasserführenden und porösen Gesteinsschicht an die Oberfläche gepumpt und mit der Abwärme aus einer Industrie- oder Müllverbrennungsanlage erhitzt. Anschließend wird das heiße Wasser wieder zurück in den Boden geleitet und dort gespeichert. Bei Bedarf kann es erneut hochgepumpt werden. In den Sommermonaten kann so für die Wintermonate CO2-neutral vorgesorgt werden.
Welches ist Ihre Aufgabe bei der Realisierung des Wärmespeichers am Standort Tiefstack?
Meine Kollegen und ich untersuchen, wie der Aquiferspeicher möglichst energieeffizient und CO2-frei betrieben werden können. Das betrifft sowohl den Betrieb von Wärmepumpen, die die gewünschte Temperatur im Fernwärmesystem sicherstellen, wenn der Aquiferspeicher alleine dazu nicht ausreicht, als auch die Integration des Aquiferspeichers in Fernwärmesysteme. Dafür erstellen wir detaillierte Modelle, die anhand verschiedener Messwerte validiert werden. Mithilfe dieses Gesamtsystemmodells können betriebliche und wirtschaftliche Optimierungspotenziale von Aquiferspeichern an anderen Orten untersucht werden.
Seit dem Krieg in der Ukraine wird der Ruf nach unabhängigen Energiequellen immer lauter. Könnten Aquiferwärmespeicher für Deutschland die Lösung sein?
Gerade für Wärmenetze oder Quartiere könnten diese Speicher eine gute Alternative sein, um sich von den Energieträgern Öl oder Erdgas zu lösen. Allerdings nicht als alleinige Maßnahme. Unterschiedliche Böden lassen es nicht zu, dass Aquiferspeicher überall gleich gut zum Einsatz kommen können. In Hamburg wird beispielsweise aus rechtlichen aber auch geologischen Gründen ein Aquiferspeicher erst in mehr als 1.000 Metern Tiefe erschlossen. Faktoren wie ein sehr hoher Salzgehalt des Thermalwassers und damit einhergehende Korrosion können zudem den Betrieb erschweren und sich damit auch auf die Wirtschaftlichkeit auswirken. Es wird daher auf ein Zusammenspiel mehrerer Speichertechnologien ankommen.
In Bezug auf den Klimaschutz eilt der neuen Technologie ein guter Ruf voraus. Wie bewerten Sie das unter Berücksichtigung von Wind- und Sonnenenergie?
Wind und Sonne richten sich nicht nach dem Bedarf der Verbraucher. Gerade im Winter ist der Strombedarf für Licht und Heizung besonders hoch, aber gleichzeitig sorgen Windstillen sowie kurze Tageszeiten dafür, dass Fotovoltaik- und Windenergieanlagen sehr wenig Strom produzieren. Ein Aquiferspeicher könnte überschüssigen Strom aus den Sommermonaten in Form von thermischer Energie speichern. In Hamburg ist allerdings vorerst nur die Nutzung von Abwärme aus ganzjährigen Prozessen geplant, um bereits bestehende Wärmequellen auszuschöpfen. Es handelt sich also um einen saisonalen Wärmespeicher. Allein dadurch lassen sich die Prozesse aber schon energetisch effizienter gestalten und es ließe sich nachhaltiger wirtschaften. Das ist bereits ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz.
Neben Arne Speerforck forschen auch Umwelttechnikerin Kerstin Kuchta und Energietechniker Christian Becker von der TU Hamburg an dem Verbundprojekt des NRL. Gemeinsam mit 50 Unternehmen, Institutionen und Forschungseinrichtungen entwickeln sie Lösungen, um auf kohlenstoffhaltige Rohstoffe zu verzichten, den Energieverbrauch zu senken und erneuerbare Energien zuverlässig zu nutzen. Weitere Informationen unter www.norddeutsches-reallabor.de.
TUHH - Pressestelle