Hochwasserschutz: Für Hamburg wichtig wie nie – Rückblick und Ausblick

Die Nacht, in der das Wasser kam

16.02.2022

Professor Peter Fröhle befasst sich an der TU Hamburg mit den Folgen der Erderwärmung und deren Einfluss auf die Elbe aus wasserbaulicher Sicht.
Professor Peter Fröhle befasst sich an der TU Hamburg mit den Folgen der Erderwärmung und deren Einfluss auf die Elbe aus wasserbaulicher Sicht. Foto: Eva Häberle / TU Hamburg

Vor 60 Jahren, in der Nacht auf den 17. Februar 1962 wurde für die Nordseeküste eine schwere Sturmflut angekündigt. Von einer Gefahr für Hamburg war jedoch nicht die Rede. So traf es die Bürger der Hansestadt völlig unvorbereitet, als die Elbe die Wassermassen in die Stadt spülte. Viele Deiche brachen und der Süden Hamburgs versank in der Flut. In dieser Nacht starben 315 Menschen, Tausende wurden obdachlos oder verloren sogar alles, was sie besaßen. Auch Mitarbeitende der Technischen Universität Hamburg waren unmittelbar betroffen: „Mein Vater war im Februar 1962 bei der Bundeswehr zur Ausbildung in Hamburg. Er und seine Kameraden wurden eingesetzt, um die zahlreichen Toten mit einem Boot aus dem Wasser zu fischen. Er berichtete, dass sie die Toten längsseits an ihren Booten befestigten und an Land brachten. Angehörige, die Ihre Familienmitglieder so angebunden sahen, sind reihenweise zusammengebrochen.“

Moderner Deichbau folgte

Der Orkan „Vincinette“ fegte in dieser Nacht über das Land und brachte die Katastrophe mit vorher nie dagewesenen Sturmflutwasserständen. An über 60 Stellen konnten die Deiche den Wassermassen nicht standhalten. Zwar wurden die Bruchstellen daraufhin wieder geschlossen, doch eines war klar: Die Stadt Hamburg benötigte ein komplett neues Konzept zum Hochwasserschutz. Denn schnell zeigte sich, dass es gar nicht möglich war, die Deiche zu reparieren und zu erhöhen. Daraufhin wurden auf rund 100 Kilometern Länge komplett neue Schutzanlagen mit einer Höhe von mindestens 7,20 Meter über Normalnull gebaut.

Gerüstet für die Zukunft?

Professor Peter Fröhle befasst sich an der TU Hamburg mit den Folgen der Erderwärmung und deren Einfluss auf die Elbe aus wasserbaulicher Sicht. Der Leiter des Instituts für Wasserbau gibt Antworten darauf, wie gut Hamburg künftig in Sachen Hochwasserschutz gerüstet ist:

Die Wilhelmsburger Reichsstraße endete bei der Sturmflut 1962 in einem riesigen See.
Die Wilhelmsburger Reichsstraße endete bei der Sturmflut 1962 in einem riesigen See. Foto: Bütow, Hans (ca. 1962): Die große Flut in Hamburg. Eine Chronik der Katastrophe vom Februar 1962.

Müssen wir in Hamburg künftig häufiger mit Sturmfluten rechnen?

Ja. Als Folge des Klimawandels und dem damit verbundenen Anstieg des Meeresspiegels werden Sturmfluten bei gleicher Sturmintensität zukünftig sogar noch höher auflaufen. Wasserstände, die früher einmal in hundert Jahren aufgetreten sind, werden dann auch sehr viel häufiger, beispielsweise alle fünf Jahre, auf uns zukommen. Zudem werden Stürme als Folge des Klimawandels möglicherweise noch intensiver, was die Häufigkeit dann zusätzlich erhöhen würde.

Welche Auswirkungen hätte eine Sturmflut heute auf Hamburg?

Die Hochwasserschutzanlagen sind in Hamburg und auch an der gesamten Nordseeküste sehr sicher, was zuletzt im Dezember 2013 deutlich wurde. Während des Sturms Xaver traten in Hamburg Wasserstände auf, die fast einen halben Meter höher waren als 1962. In Hamburg und an der Nordseeküste funktionierte der Hochwasserschutz praktisch reibungslos, sodass keine gravierenden Schäden aufgetreten sind. Inzwischen ist der Hochwasserschutz sogar noch besser geworden. Eine hundertprozentige Sicherheit gegen Naturereignisse gibt es aber leider trotzdem nicht.

Wie hoch darf das Wasser steigen bis es wieder heißt „Land unter“ und wie können dann bessere Vorhersagemethoden helfen?

Im aktuellen Bauprogramm der Freien und Hansestadt Hamburg ist geplant, Deiche und Hochwasserschutzanlagen auf eine Höhe von mindestens 8,30 Metern über Normalnull auszubauen. Sollte ein Wasserstand die acht Meter-Marke doch wesentlich überschreiten, sind Vorhersagemethoden die Grundlage für die Warnung der Bevölkerung. Eine gute Vorhersage ist zudem wichtig für die Einsatzplanung der Behörden, um dann mobile Hochwasserschutzanlagen, wie Sturmfluttore und Sperrwerke, zu schließen und die Deichverteidigung vorzubereiten und zu koordinieren. Je präziser und früher die Vorhersagen eintreffen, desto einfacher und leichter wird die Vorbereitung auf eine Sturmflut. In Hamburg ist dafür der Sturmflutwarndienst zuständig.

Welche Maßnahmen außer höheren Deichen hat der Hochwasserschutz in der Vergangenheit entwickelt und woran forschen Sie ganz konkret?

Neben Deichen und Hochwasserschutzmauern gibt es eine Vielzahl von Konzepten zum Schutz gegen Hochwasser. Diese reichen von einer angepassten Bauweise über die Schaffung von Raum für das Wasser bis hin zu Dämmen oder Sperrwerken, mit denen das Einlaufen einer Hochwasserwelle verhindert werden soll. An der TU Hamburg befassen wir uns mit der Zukunft des Hochwasserschutzes an der Tideelbe vor dem Hintergrund des Klimawandels. Dafür identifizieren und analysieren wir denkbare Optionen für einen künftigen Hochwasserschutz und bewerten diesen aus wasserbaulicher, wasserwirtschaftlicher, ökologischer und ökonomischer Sicht. Neben Veränderungen von Tidebedingungen, Strömungen und Wasserständen, müssen wir auch Konsequenzen für Flora und Fauna sowie die für die Schifffahrt und andere Nutzungen berücksichtigen. Mit Hilfe unserer Ergebnisse sollen dann Handlungsoptionen für die Zukunft abgeleitet werden.


TUHH - Pressestelle
Franziska Trede
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