22.03.2013
Von 13 aktuell neu eingerichteten Schwerpunktprogrammen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit einem Gesamtfördervolumen von 64 Millionen Euro wird eines von TUHH-Professor Michael Schlüter koordiniert. "Es ist für uns alle eine große Freude, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) das von uns eingereichte Konzept mit dem Titel "Einfluss lokaler Transportprozesse auf chemische Reaktionen in Blasenströmungen" als Forschungsschwerpunkt ausgewählt hat und mit 10 Millionen Euro unterstützt", sagt Programm-Koordinator und der Leiter des TU-Instituts für Mehrphasenströmung Prof. Dr.-Ing. Michael Schlüter.
Schlüter forscht auf dem Gebiet der Strömungsmechanik für Mehrphasensysteme mit dem Ziel, Produktionsverfahren in der chemischen Industrie und Biotechnologie effizienter und nachhaltiger zu gestalten.
Das Problem bei der Herstellung von Chemikalien für z.B. Kunststoffe, Farben, Lacke oder auch Pharmazeutika ist die geringe Ausbeute innerhalb des Umwandlungsprozesses von geringen 10 bis 20 Prozent. Die verbleibenden 80 Prozent sind häufig nicht mehr weiter nutzbare minderwertige Nebenprodukte, die als Abfall, Abwasser oder Abluft entsorgt werden müssen. Dazu Prof. Schlüter: "In Zeiten von Rohstoffknappheit, steigenden Rohstoffpreisen und des Umweltschutzes müssen wir zu effizienteren Verfahren kommen. Das nun geförderte Programm zeichnet sich durch den Einsatz innovativer Methoden aus. So sollenetwa durch die intensive Zusammenarbeit zwischen Verfahrenstechnik , Strömungsmechanik, der Chemie und der Mathematik neue Messmethoden und Modelle für effizientere Prozesse entwickelt werden."
Das neu aufgelegte DFG-Forschungsprogramm erstreckt sich über sechs Jahre und wird mit insgesamt 10 Millionen Euro gefördert. Hierbei werden 15-20 Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland vernetzt, um in neue wissenschaftliche Gebiete vorzudringen, die von einzelnen Forschern nicht bewältigt werden könnten. Eine zentrale Frage ist, wie bei chemischen Reaktionen in begasten Flüssigkeitsströmungen die Reaktionspartner so zueinander gebracht werden können, dass möglichst nur hochwertige Stoffe entstehen. Mit diesen Grundlagen können künftig Prozesse mit geringerem Ressourcenverbrauch und verringerten Emissionen entwickelt werden.
Initiiert wurde das neue Schwerpunktprogramm durch Akteure des ProcessNet Forschungsnetzwerks "Campus Blasensäulen", um Lücken im Grundlagenwissen zu schließen, die für industrielle Prozesse derzeit einen "Flaschenhals" darstellen. Zum Programmausschuss gehören ebenfalls Prof. Dieter Bothe vom Center of Smart Interfaces der TU Darmstadt, Prof. Ullrich Nieken, Leiter des Instituts für Chemische Verfahrenstechnik der Universität Stuttgart und Frau Prof. Herres-Pawlis vom Department für Chemie der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Zusammenfassung des Antrags:
Die Umwandlung von Stoffen mit hoher Ausbeute und Selektivität ist eine der vorrangigsten Aufgaben der chemischen Verfahrenstechnik. Für viele Bulkchemikalien müssen hierbei gasförmige Stoffe mit einer kontinuierlichen flüssigen Phase vermischt und zur Reaktion gebracht werden (z.B. Oxidationen, Hydrierungen, Chlorierungen). In den 1960er Jahren wurden hierfür zunächst Blasensäulenreaktoren entwickelt, die große Volumina und lange Verweilzeiten bei intensiver Vermischung ermöglichten. In den 1980er Jahren kamen verstärkt Blasensäulen mit Zonen definierter Durchmischung (z.B. Schlaufenreaktoren) zur Anwendung, die das Potenzial einer gezielten Strömungsführung aufzeigten. Ende der 1980er Jahre setzte zunehmend eine detailliertere Betrachtung von Blasenströmungen ein, die in den 1990er Jahren einen raschen Aufschwung nahm. Als dann für Einphasenströmungen gezeigt wurde, dass chemische Reaktionen durch die Vermischung auf unterschiedlichen Zeit- und Größenskalen beeinflusst werden, war auch für reaktive Blasenströmungen ein großes Optimierungspotenzial erkennbar, da hier zusätzliche Transportwiderstände durch Phasengrenzen und Grenzschichten auftreten. Allerdings konnten skalenübergreifende Transportprozesse mit gekoppelter Reaktion bisher nicht ausreichend beschrieben werden, so dass häufig Reaktionsgeschwindigkeiten zu Grunde gelegt wurden, die neben der intrinsischen Kinetik einen unbekannten Stofftransportanteil einbeziehen. Somit sind die Übertragbarkeit von Modellen und die prädiktive Vorhersage von Ausbeute und Selektivität nur sehr begrenzt möglich. Zur Aufklärung standen bisher weder experimentelle noch numerische Werkzeuge mit ausreichend hoher örtlicher und zeitlicher Auflösung zur Verfügung. Diese Situation hat sich in den letzten Jahren durch die rasante Entwicklung in der Mikroelektronik, LCD- und OLED- sowie Bildsensortechnik deutlich verbessert. Zur experimentellen Bestimmung von intrinsischen Kinetiken und zur Aufklärung einzelner Reaktionsschritte sowie lokaler Stofftransportprozesse stehen heute neue miniaturisierte Reaktoren, Untersuchungsmethoden und Messtechniken zur Verfügung, die Prozesse auf kleinsten Zeit- und Größenskalen auflösen. Zudem wurden im Bereich der numerischen Simulation mit neuen Hochleistungsrechnern und neuen Methoden (z.B. Berücksichtigung von Konzentrationssprüngen an Phasengrenzen und Grenzflächenkontaminationen) enorme Fortschritte erzielt. Um die Herausforderungen einer prädiktiven Prozessführung zu bewältigen, müssen diese experimentellen und numerischen Fortschritte für die Verfahrenstechnik nutzbar gemacht und Stofftransport- und Reaktionsschritte lokal gekoppelt werden. Die neuen Möglichkeiten zur Aufklärung von Reaktionsnetzwerken und lokalen Transportprozessen sowie zur numerischen Simulation von Gas-Flüssig-Grenzflächen sollen im beantragten Schwerpunkt gezielt für die systematische Analyse komplexer verfahrenstechnischer Prozesse genutzt werden. Dazu ist es erforderlich, Reaktionssysteme so genau zu charakterisieren, wie es für die detaillierte Erfassung der Wechselwirkung von Gas-Flüssig-Stofftransport und -Reaktion notwendig ist. Neue Methoden zur Einstellung definierter Vermischungsverhältnisse (Mikroreaktoren, Turbulenzgeneratoren) sollen hierbei ebenso zur Anwendung kommen, wie neue Messapparaturen (z.B. Drehkammer, Taylor-Flow Kapillaren) und neue Analysemethoden (z.B. Resonanz-Raman-, Coherente Anti-Stokes-Raman- und Zweiphotonen Spektroskopie). In der numerischen Simulation sind neue Methoden zur Berechnung des Stoffübergangs und der Implementierung von Reaktionen erforderlich (z.B. dynamisch adaptierte Gitter in Kombination mit parallelen Rechentechniken). Im hier beantragten Forschungsprogramm sollen somit experimentelle und numerische Methoden gleichwertig zur Analyse und Berechnung von reagierenden Blasenströmungen entwickelt und angewendet werden, um eine prädiktive Vorhersage von Ausbeute und Selektivität chemischer Reaktionen mit Stoffübergang zu ermöglichen. Explizit ausgeschlossen sind Grundlagenuntersuchungen ausschließlich an Einzelblasen, zum Phasenübergang (Kondensation/Verdampfung/Sieden), zu Drei- und Mehrphasenströmungen, zu partikulären Strömungen, zu Zweiphasenströmungen in porösen Medien sowie die ausschließliche Neuentwicklung von Messtechniken oder numerischen Methoden.
Info zu den Schwerpunktprogrammen (SPP):
Die 13 neuen SPP sollen ab Anfang 2014 ihreArbeit aufnehmen und die in Deutschland und darüber hinaus vorhandene wissenschaftliche Expertise zu besonders aktuellen oder sich gerade bildenden Forschungsgebieten vernetzen. Sie decken die gesamte fachliche Breite von den Geistes- und Sozialwissenschaften über die Lebenswissenschaften und Naturwissenschaften bis zu den Ingenieurwissenschaften ab. Alle Programme sind in hohem Maße interdisziplinär ausgerichtet und zeichnen sich durch den Einsatz innovativer Methoden aus.
Für Rückfragen :
TU Hamburg-Harburg
Institut für Mehrphasentrömungen
Prof. Michael Schlüter
Tel.: 040/ 42878-3052
E-Mail: michael.schlueter@tuhh.de
http://www.ims-tuhh.de
Siehe auch: http://www.dfg.de/service/p ... mitteilung_nr_05/index.html
TUHH - Pressestelle
Martina Brinkmann
E-Mail: pressestelle@tuhh.de