Nachhaltige Gewinnung elektrischer Energie mit nanoporösen Materialien

EU-gefördertes Forschungsprojekt könnte die Gewinnung von elektrischer Energie durch die Nutzung von Phasenübergängen von Wasser in Nanoporen revolutionieren

23.02.2021

Professor Patrick Huber der TU Hamburg entwickelt künstliche, poröse Materialien und nanofluidische Prozesse, um nutzbare elektrische Energie für die Menschen zu gewinnen.
Professor Patrick Huber der TU Hamburg entwickelt künstliche, poröse Materialien und nanofluidische Prozesse, um nutzbare elektrische Energie für die Menschen zu gewinnen. Foto: TU Hamburg

Die Natur hat vor allem im Pflanzenreich poröse Biomaterialien entwickelt, die aus Feuchtigkeitsschwankungen in ihrer Umgebung, wie zwischen Tag und Nacht oder zwischen Trocken- und Regenzeit mechanische Energie für Bewegungen gewinnen können. So vergraben sich zum Beispiel manche Pflanzenkeime allein durch die Nutzung von Energie aus Wasserkondensation und -verdampfung selbstständig in die Erde, ganz ohne dazu externe Energie zu benötigen. Forscher der Technischen Universität Hamburg möchten nun im Rahmen eines europäischen Konsortiums künstliche poröse Materialien und nanofluidische Prozesse entwickeln, die Feuchtigkeitsschwankungen in solchen natürlichen, aber auch in technischen Prozessen nutzen. Ziel ist, damit nutzbare elektrische Energie für die Menschen zu gewinnen.

Lösung: Nanoporöse Materialien und Phasenübergänge von wässrigen Elektrolyten

Die Lösung könnte eine radikal neue Technologie sein. Dafür untersucht das internationale Team Zyklen aus Befeuchtung und Trocknung von elektrisch leitfähigen, nanoporösen Materialien, beispielsweise aus Silizium oder Kohlenstoff. „Wir forschen daran, wie Wasser und wässrige Elektrolyte, zum Beispiel Salzwasser, durch Kapillarkräfte getrieben in kleinste Poren, die im Querschnitt nur 50 Wassermoleküle fassen, eindringen und diese damit befeuchten. Dabei nimmt die Kontaktfläche zwischen der Flüssigkeit und der elektrisch leitenden Porenwand zu. Umgekehrt tritt beim Trocknen der umgekehrte Effekt auf. Die Kontaktfläche nimmt ab. Bei geschickter Führung der sich damit auf- und abbauenden elektrischen Ladungsschichten an den Nanoporwänden, kann man aus diesen Zyklen direkt elektrische Energie gewinnen“, sagt Professor Patrick Huber, Leiter der Arbeitsgruppe Physik und hochauflösende Röntgenanalytik von Funktionsmaterialien im Zentrum für Integrierte Multiskalige Materialsysteme (CIMMS) an der TU Hamburg und des Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY).

Nanoporöse Materialien sind mit Schwämmen vergleichbar, die aus Millionen kleiner Poren bestehen. Ein Kubikzentimeter davon kann dabei ein ganzes Fußballfeld an innerer Oberfläche aufweisen. „Diese Eigenschaft führt dazu, dass die Kontaktflächen zwischen Flüssigkeit und Festkörper und damit die elektrischen Kapazitäten pro Volumen sehr groß sind. Die Energieumwandlung pro Benetzungs- und Trocknungzyklus ist daher sehr effizient.“, erklärt der TU-Professor. „Der Klimawandel stellt uns vor die Herausforderung, so wenig fossile Brennstoffe und CO2 Produktion wie nötig für die Herstellung von elektrischer Energie zu nutzen. Gleichzeitig gelangt ein großer Anteil der Primärenergie als Abwärme in die Umgebung und heizt diese zu Lasten des Klimas zusätzlich auf. Das wollen wir im Rahmen dieses Projekts durch die Entwicklung und Erforschung neuer Materialien in Kombination mit geschickter Prozessführung von Trocknungs- und Befeuchtungszyklen auf der Nanoskala, beispielsweise unter Nutzung von industrieller Abwärme oder Gezeiten am Meer, ändern“, so Huber weiter.

Anwendung der neuen Technologie

Nanoporöse Flächen an Gebäuden an oder im Wasser, die im natürlichen Rhythmus der Gezeiten befeuchtet und trocken gelegt werden, können zur elektrischen Energiegewinnung genutzt werden – hier: Elbphilharmonie im Hamburger Tidehafen.
Nanoporöse Flächen an Gebäuden an oder im Wasser, die im natürlichen Rhythmus der Gezeiten befeuchtet und trocken gelegt werden, können zur elektrischen Energiegewinnung genutzt werden – hier: Elbphilharmonie im Hamburger Tidehafen. Grafik: TU Hamburg/Prof. Huber

Diese neue Technologie kann vielfältig und in einem großen Maßstab genutzt werden. So ist die Kondensation des Wassers einerseits in einem geschlossenen Kreislauf von Porenraum zu Porenraum denkbar. Dies würde den Einsatz in geschlossenen Räumen oder sehr heißen Gebieten ermöglichen, um beispielsweise die Abwärme von Großrechnern oder die Hitze in Wüstenregionen für eine nachhaltige Energiegewinnung zu nutzen. Andererseits wäre auch eine Materialoberfläche realisierbar, die nach außen durchlässig ist. So könnte das Materialinnere durch den natürlichen Tag- und Nachtrhythmus mit Flüssigkeit aus Morgentau versorgt werden. Steigt dann die Außentemperatur, verdampft das Wasser und elektrische Energie wird gewonnen. Auch Flächen, die im natürlichen Rhythmus der Gezeiten bei Flut befeuchtet werden und bei Ebbe wieder trocknen, würden sich hierfür hervorragend eignen.

Das Forschungsprojekt „Energy harvesting via wetting/drying cycles with nanoporous electrodes EAWEDRY“ wird aus dem EU-Förderprogramm „Future & Emerging Technologies (FET-Open)“ gefördert, einem Programm, das interdisziplinäre Forschungsprojekte mit mutigen Zukunftsvisionen unterstützt. Das Projekt wird mit insgesamt knapp drei Millionen Euro über vier Jahre gefördert. In dem internationalen Konsortium sind neben der TU Hamburg und dem DESY (Arbeitsgruppe Professor Patrick Huber) auch die Universität Hamburg (Arbeitsgruppe Professor Michael Fröba), die Universitat Politècnica de Catalunya, Barcelona (Arbeitsgruppe Professor Andriy Yaroshchuk) das Catalonia Institute for Energy Research(Arbeitsgruppe Professor Andreu Cabot), die Université Claude Bernard Lyon 1 (Arbeitsgruppe Professor Olivier Vincent), das F.D. Ovharenko Institute of Bio-Colloid Chemistry (Ukraine) und zwei industrielle Partner beteiligt.


TUHH - Pressestelle
Franziska Trede
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