Diplomingenieur (TH) Uni. Prof. Dr.-Ing. E. h. Dr. h. c. Eike Lehmann ist tot

30.01.2019

Diplomingenieur (TH) Uni. Prof. Dr.-Ing. E. h. Dr. h. c. Eike Lehmann.
Diplomingenieur (TH) Uni. Prof. Dr.-Ing. E. h. Dr. h. c. Eike Lehmann. Foto: TUHH

Mit Bestürzung und Trauer nimmt die TUHH Abschied von einem großen Mann der Wissenschaft, der sich um die TUHH und den deutschen Schiffbau verdient gemacht hat. Er war Präsident des Vereins Deutscher Ingenieure, im Vorstand des Germanischen Lloyds und langjähriger Professor der Technischen Universität Hamburg.

Eike Lehmann galt nicht nur in den Kreisen der Schiffbauer, sondern in der gesamten Scientific Community als Monument für wissenschaftliche Expertise, Klarheit und zugleich großer menschlicher Wärme. Sein Wirken wird der TUHH weiterhin präsent bleiben. Das er selbst auch noch nach über einem Jahrzeit nach seinem Eintritt in den Ruhestand als Teil des Kollegiums der TUHH verstanden wurde, spricht für sich. Professor Lehmann ist es maßgeblich zu verdanken dass der Schiffbau Ende der 90er Jahre erfolgreich eingegliedert werden konnte und hier in Harburg eine neue Heimat erhielt. Es ist sein Verdienst, dass die schiffbauliche Lehre und Forschung stets modernisiert und zukunftsorientiert aufgestellt werden konnte. Und nicht zuletzt ist es auch sein Verdienst, dass der Schiffbau heute ein Alleinstellungsmerkmal der TUHH ist.

Er steht für Generationen von exzellent ausgebildeten Ingenieurinnen und Ingenieuren die er auch in großer Zahl promovierte. Sie bestimmen bis heute Richtlinien für die Sicherheit für Schiffe, schiffbauliche Normen, neue Konzepte und Designs, technikwissenschaftliche Forschung und moderne Lehre. Wir verlieren mit Prof. Eike Lehmann einen großen und treuen Freund der TUHH. Einen stets aufrechten Streiter für den Ausbau, eine Lichtgestalt der Ingenieurskunst und einen hochgeschätzten fachlichen Berater und höchst geachteten Menschen. Die TUHH wird ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Eike Lehmann wurde zusammen mit seinem Bruder Harald am 19. Mai 1940 in Breslau als dritter von vier Söhnen von Frau Ursula Lehmann, geb. Arnold und Dr. med. habil. Wolfgang Lehmann, geboren. Als Stabsarzt auf der Krim wegen einer Malariaerkrankung aus dem Heeresdienst entlassen, wurde Dr. Lehmann 1943 an die Reichsuniversität Straßburg auf den Lehrstuhl für Erbbiologie berufen. Im Frühsommer 1945 wurde die Familie ausgewiesen und fand eine provisorische Unterkunft im Schwarzwald . Noch im Sommer 1945 konnte die Familie bei Verwandten in Harndorf bei Rendsburg eine Unterkunft finden.

Von 1946 bis 1950 konnte Prof. Dr. med. Lehmann eine Praxis im Nachbarort Eisdorf betreiben und wurde dann als Privatdozent an der Universität Kiel ab 1950 tätig. Eike Lehmann ging zunächst auf die Grundschule und dann auf das Hebbel-Gymnasium in Kiel. Wegen nicht ausreichender Leistungen musste Eike Lehmann das Gymnasium verlassen und besuchte das Privatgymnasium Bargeer. Am 1. April 1958 begann Lehmann eine praktische Ausbildung als Schiffbauer bei.der Werft von Paul Lindenau in Friedrichsort. Während dieser Ausbildung erwarb Lehmann die sogenannte Mittlere Reife in der Abendschule in Kiel und leistete anschließend seinen Wehrdienst beim Fla. Bat. 6 in Schleswig. Danach verdingte sich Lehmann als Detailkonstrukteur bei den Kieler Howaldtswerken, um ab November 1961 auf der Ingenieurschule Kiel ein Studium des Schiffbaus zu beginnen. Dieses konnte er mit großem Erfolg beenden und erhielt die sog. eingeschränkte Hochschulreife.

Anschließend wurde Lehmann erneut bei den Kieler Howaldtswerken tätig, um ab Herbst 1964 sein Studium an der Technischen Hochschule Hannover zu beginnen. Schon nach acht Semestern bestand Lehmann die Diplomhauptprüfung und wurde wissenschaftlicher Assistent am Institut für Konstruktion und Statik der TH Hannover. Nach weiteren zwei Jahren promovierte Lehmann in Hannover zum Dr.-lng. und wurde Oberingenieur des obigen Instituts. Nach zwei Jahren verließ Lehmann die TH Hannover, um Mitarbeiter des Germanischen Lloyds (GL) in Hamburg zu werden.

Schon nach einem Jahr folgte Lehmann einem Ruf der Flender Werft in Lübeck - zunächst als Konstruktionsleiter mit dem Angebot, nach Ausscheiden des technischen Vorstands dessen Nachfolger zu werden. Mit 39 Jahren erhielt Lehmann den Ruf als ordentlicher Professor und Direktor des genannten Instituts in Hannover, als Nachfolger von Prof. Petershagen. Ab 1983 ließ sich Lehmann an die neue Technische Universität Hamburg-Harburg (TUHH) versetzen. 1995 wurde Lehmann Vorstandsmitglied des Germanischen Lloyds in Hamburg unter Aufrechterhaltung seiner Lehr- und Forschungsverpflichtungen an der TUHH. Ende des Jahres 2001 verließ Lehmann den Germanischen Lloyd, um sich seinen Lehr- und Forschungsaufgaben an der TUHH wieder voll zu widmen.

2006 wurde Lehmann entpflichtet. Mit einer Vorlesung „Geschichte des Schiffbaus" als Wahlpflichtvorlesung gelang es ihm, viele hundert Studenten zu begeistern. Seine Tätigkeiten als Leiter des Forschungs- und Arbeitsbereichs Konstruktion von Schiffen, als Leiter des Technisch-Wissenschaftlichen Beirats und als Vorsitzenden der Schiffbautechnischen Gesellschaft (STG) waren ihm Herzensangelegenheiten. So hat Lehmann das 1OOjährige Jubiläum der STG durch eigene umfangreiche literarische Beiträge bereichert.

Als erster Schiffbauer in der Geschichte des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) wurde Lehmann im Herbst 2003 zum Präsident des VDI gewählt und hatte das Amt von 2004 bis 2007 inne, denn eine weitere Amtsperiode war satzungsgemäß wegen Überschreitung der Altersgrenze nicht möglich. Die Universität Rostock berief Lehmann 2004 als Mitglied in ihren Universitätsrat. Als Vorsitzender hat Lehmann dieses Gremium in drei Perioden bis 2016 mit großem Interesse und Einsatz vertreten. In zahlreichen Institutionen wie dem Technischen Beirat des Germanischen Lloyds, dem Technical und General Committee von Lloyds Register und Bureau Veritas, dem Forschungszentrum des Deutschen Schiffbaus als Sprecher des Forschungsschwerpunktes Meerestechnik war Lehmann ein engagiertes Mitglied. In weit über 100 Buch- und Zeitschrittenveröffentlichungen, Vorträgen und sonstigen Beiträgen hat Lehmann die Breite seiner Interessen dokumentiert.

Ein besonderer wissenschaftlicher Höhepunkt waren mehrere Forschungsvorhaben zur Frage von Grundberührungen und Kollisionen einschließlich umfangreicher Großversuche in Zusammenarbeit mit dem GL und der niederländischen Forschungsanstalt TNO. Es wundert also nicht, wenn Reedereien, Werften und Gerichte sich in großem Umfang des Sachverstandes Lehmanns bedient haben.

Nicht zuletzt wegen der vielseitigen gutachterlichen Tätigkeiten und seines breiten Interesses an verschiedenen technischen Fragen haben Lehmanns Vorlesungen bei Studenten sehr gefragt gemacht. Zahlreiche Promotionen, Diplom- und Studienarbeiten zeugen von der intensiven Zusammenarbeit von Lehmann mit Studenten und Mitarbeitern. Nicht unerwähnt soll auch sein großes Engagement zum Erhalt der akademischen Forschung und Ausbildung in Hamburg-Harburg sein. Die Überführung des Schiffbaus aus Hamburg nach Harburg sowie der Erhalt einer hochwertigen Ausbildung durch Wiederbesetzung der vakanten Professorenstellen sowie die Einrichtung eines neuen Studienganges sind maßgeblich durch Lehmann initiiert und gefördert worden.

Lehmanns berufliche Lebensleistung ist mehrfach gewürdigt worden. Die Universität Rostock verlieh Prof. Lehmann 1994 die Würde eines Dr.-lng. E. h. Die Universität Galati würdigte Lehmann wegen seines besonderen Engagements für zahlreiche junge rumänische Schiffbauer, die sich an seinem Institut durch wissenschaftliche Arbeiten und Promotion qualifizieren konnten. Die Schiffbautechnische Gesellschaft und der VDI ernannten Lehmann jeweils zum Ehrenmitglied. Die Verleihung der Goldenen Denkmünze der STG würdigte Lehmann für seine wissenschaftliche Tätigkeit und als herausragendes Mitglied der Gesellschaft.

Von großer Bedeutung war für Lehmann seine große Familie mit drei Kindern und acht Enkeln und seinen drei Brüdern, mit denen er aufs herzlichste verbunden war. 2018 konnte er die goldene Hochzeit mit seiner Frau erleben. Sein besonderes Interesse galt der hansischen Kultur in Lübeck. Der Gesellschaft Weltkulturgut Hansestadt Lübeck, die das mittelalterliche Kraweel „Lisa von Lübeck" betreibt, war Lehmann durch die Leitung ihres Technisch-Wissenschaftlichen Beirats während der Bauzeit und dann als langjähriger Vorsitzender aufs Engste verbunden. Lehmann verstarb nach geduldig ertragener, längerer Erkrankung am 14. Januar 2019.


TUHH - Pressestelle