Wer profitiert am meisten vom Deutschlandticket?

Wissenschaftler der TU Hamburg erforschen soziale Teilhabe im öffentlichen Nahverkehr

26.04.2023

Mit dem Deutschlandticket soll die Nutzung des ÖPNV attraktiver werden. Für Armutsbetroffene bleibt das System aber uneinheitlich.
Mit dem Deutschlandticket soll die Nutzung des ÖPNV attraktiver werden. Für Armutsbetroffene bleibt das System aber uneinheitlich. Foto: querbeet/Getty Images

Das Deutschlandticket macht Mobilität ab dem 1. Mai einfacher: Fahrgäste können für 49 Euro im Monat durch die gesamte Republik fahren – mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Mit dem Ticket wird die Nutzung von Bus und Bahn übersichtlicher und attraktiver. Christoph Aberle vom Institut für Verkehrsplanung und Logistik der Technischen Universität Hamburg hat die Website www.wasbringt49.de entwickelt, auf der Fahrgäste die ÖPNV-Tarife mit dem Deutschlandticket vergleichen können.

„In puncto Einfachheit machen wir einen riesigen Schritt: Mit dem Deutschlandticket können wir in allen Bundesländern den ÖPNV nutzen, ohne die Tarifzonen zu studieren“, sagt Aberle. Der Wissenschaftler hat die Angebote von über 100 Verkehrsverbünden auf der interaktiven Website zusammengetragen. Verbraucher∗innen können die Nutzungsmöglichkeiten des Deutschlandticket in verschiedenen Kartenansichten erkunden und vergleichen. So lässt sich zum Beispiel erkennen: Wer bisher das Abonnement für Hamburg AB für 96,90 Euro genutzt hat, zahlt mit dem Deutschlandticket nur noch halb so viel. Insgesamt lebt gut die Hälfte der Bevölkerung in Gebieten, wo das Deutschlandticket günstiger wird als ein übliches Abo.

Anders als das Deutschlandticket sind die Sozialtickets nicht bundeseinheitlich geregelt.
Anders als das Deutschlandticket sind die Sozialtickets nicht bundeseinheitlich geregelt. Foto: Christoph Aberle/TU Hamburg

Christoph Aberles Einschätzung nach kann das Deutschlandticket durchaus einen finanziellen Anreiz geben, den Autoschlüssel gegen die Abokarte einzutauschen. Allerdings vermisst er ein Sozialticket, das genau so einfach ist: „Das Deutschlandticket soll armen Menschen helfen, steigende Lebenskosten zu bewältigen. Für Einkommensarme ist es aber schlicht Glückssache, ob sie von einem Sozialrabatt profitieren. Denn ein bundesweites Sozialticket gibt es nicht.“ Stattdessen entscheiden Kommunen und Bundesländer eigenständig über Zuschüsse. In Hamburg beispielsweise wird das Sozialticket ab Mai auf 19 Euro im Monat bezuschusst und für Schüler∗innen aus einkommensschwachen Familien wird es kostenfrei. Anders sieht das im Saarland aus: Hier können Armutsbetroffene den ÖPNV für 39 Euro nutzen, allerdings nicht bundesweit, sondern nur lokal. Eine weitere Option ist dort ein Sozialticket für 29 Euro, das werktags ab 9 Uhr gilt. Die Einfachheit des Deutschlandtickets gilt für Menschen in Armut also nur eingeschränkt. Außerdem sagt der Verkehrsforscher: „Der Vollpreis von 49 Euro ist für viele Armutsbetroffene immer noch zu teuer. Befragungen zeigen, dass sie etwa 25 Euro im Monat für den ÖPNV aufbringen können.“ 

Die Wichtigkeit des Preises für Einkommensarme betont auch Prof. Carsten Gertz, Leiter des Instituts für Verkehrsplanung und Logistik. „Das Deutschlandticket böte die Chance, auch ein einheitliches Sozialticket zu schaffen. In Befragungen zum 9-Euro-Ticket im Sommer 2022 konnten wir beobachten, welche Freiheit ein günstiger ÖPNV gerade denen bietet, die am stärksten unter steigenden Lebenskosten leiden. Ein bundesweites Sozialticket könnte hier anknüpfen und die Teilhabechancen enorm steigern.“


TUHH - Pressestelle