„Intensive Betreuung ist der beste Schutz gegen Plagiate“

28.02.2011

Prof. Dr.-Ing. Otto von Estorff
Prof. Dr.-Ing. Otto von Estorff
Foto: TUHH/Jupitz

Seit der ersten Promotion an der TUHH 1985 haben mehr als 1600 junge Menschen ihren Dr.-Ing. an Deutschlands nördlichster TU erworben. Neu ist die Promotionsfeier. Am Freitag, 4. März, werden zum ersten Mal alle Doktoranden und Doktorandinnen des Jahres 2010 in einem festlichen Rahmen ihre Promotionsurkunden überreicht bekommen. Der Vorsitzende des Promotions-Ausschusses der TUHH, Prof. Dr.-Ing. Otto von Estorff, äußert sich im folgenden Interview zu Fragen der Qualität der Dissertationen an der TUHH – auch vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussion über den „Fall zu Guttenberg“.

Der Vorsitzende des Promotions-Ausschusses Otto von Estorff im Interview

Allgemein angenommen wird, dass ingenieurwissenschaftliche Doktorarbeiten grundsätzlich schwerer zu fälschen sind als geisteswissenschaftliche Arbeiten? Worin liegen die Unterschiede?

In den Ingenieurwissenschaften erforschen die Doktoranden in der Regel technische Zusammenhänge, leiten komplexe theoretische Verfahren her, entwickeln neue Modelle und Ansätze. Diese müssen in der Doktorarbeit, basierend auf bisher bekannten Grundlagen, schlüssig und nachvollziehbar formuliert und dargestellt werden. Der Wert der eigenen wissenschaftlichen Leistung muss erkennbar sein. Dabei ist es wenig hilfreich, einzelne Seiten aus anderen Quellen zu übernehmen.

Vier Augen sehen mehr als zwei: Wie viele Prüfer begutachten eine Promotion an der TUHH?

An unserer Universität wird jede Doktorarbeit zunächst von mindestens zwei Gutachtern schriftlich begutachtet und bewertet. Dann wird sie, zusammen mit den Gutachten, an mindestens zwei weitere Fachkollegen geschickt, die den gesamten Vorgang unabhängig voneinander nochmals beurteilen und schriftlich Stellung nehmen. Parallel wird jede Doktorarbeit im Umlaufverfahren an alle Professoren des Fachbereiches verschickt und jeder hat die Möglichkeit, einen kontrollierenden Blick in die Arbeit zu werfen. Koordiniert wird das gesamte Verfahren durch den zentralen Promotionsausschuss der Universität, der im Falle von Auffälligkeiten sofort eingreift.

Wie schützt sich die TUHH vor Plagiaten in Promotionen?

Ein allumfassender Schutz ist nur schwer möglich. Durch den in der Regel sehr engen Kontakt zwischen Doktorand und Betreuer sowie durch die genannte Befassung von verschiedenen Gutachtern mit dem Inhalt der Arbeit lässt sich jedoch schon ein gewisser Schutz erreichen. Zudem wird immer wieder angeregt, dass die Doktoranden ihre Forschungsarbeit in internationalen wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichen. Hier erfolgt ein neutrales Review-Verfahren auf hohem internationalen Niveau, was im Falle eines positiven Votums eine zusätzliche Sicherheit gibt, dass die eingereichte Arbeit neu und original ist. Und davon machen viele Doktoranden der TUHH Gebrauch.

Der Präsident des Deutschen Hochschulverbands, Bernhard Kempen, fordert die Wissenschaft dazu auf, „immer wieder zu prüfen, ob sie alles tut, um Plagiatoren auf die Schliche zu kommen“. Muss dieses Sicherheitsnetz ausgebaut werden?

Die Wissenschaft funktioniert nach dem Prinzip der Selbstkontrolle, die schon zu einem möglichst frühen Stadium in den Köpfen junger und etablierter Forscher verankert werden muss. Natürlich kann an den Ausbau eines Sicherheitsnetzes gedacht werden. Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Matthias Kleiner, wies vor Kurzem daraufhin, dass "eine allein auf Misstrauen gegründete Kontroll- und Prüfkultur nicht dem Wesen der Wissenschaft entspricht." Der beste Weg, Verstößen gegen die gute wissenschaftliche Praxis schon im Vorfeld zu begegnen, ist in meinen Augen die intensive Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Das Netz verführt zum Abschreiben. Die Ideen anderer als die eigenen auszugeben, ist in der Kreativwirtschaft weit verbreitet und offensichtlich auch in der Wissenschaft bekannt. Genügen die bestehenden Standards an Hochschulen für Promotionen sowie für Prüfungen in der akademischen Ausbildung von Ingenieuren oder müssen diese neu formuliert werden?

Seitens der Deutschen Forschungsgemeinschaft werden seit einigen Jahren Standards guter wissenschaftlicher Praxis eingehend kommuniziert. Diese sind in eine entsprechend Richtlinie der TUHH eingeflossen und müssen gerade den jungen Wissenschaftlern möglichst früh bekannt gemacht werden. Es darf kein Zweifel daran bestehen, dass diese Richtlinien unter allen Umständen einzuhalten sind.

Die Richtlinien stehen auf dem Papier, doch wie schaut die Praxis aus?

Jeder Betreuer einer Arbeit, sei es eine Studienarbeit, Bachelor-/Masterarbeit oder eine Dissertation, hat eine gewisse Aufsichtspflicht und im Verdachtsfall, wenn sich zum Beispiel der Schreibstil innerhalb der Arbeit stark ändert, die Möglichkeit einer Kontrolle. Schon die einfache Angabe von charakteristischen Sätzen in den gängigen Suchmaschinen führt im Falle eines Plagiats oftmals schon zu Suchergebnissen. Wer einen Schritt weiter gehen will, kann eigens zur Findung von Plagiaten entwickelte Software einsetzten.


TUHH - Pressestelle
Jutta Katharina Werner
E-Mail: pressestelle@tuhh.de