25.01.2019
Wenn es nach den Logistik- und Speditionsunternehmen geht, kann der fahrerlose, vernetzte Lkw auf Deutschlands Straßen bald Realität werden. Soll diese neue Technologie im Güterverkehr Einzug halten, ist es allerdings dringend notwendig, hierfür die Weichen zu stellen. Dies präsentieren Ergebnisse des Projektes ATLaS (Automatisiertes und vernetztes Fahren in der Logistik - Chancen für mehr Wertschöpfung) des Instituts für Verkehrsplanung und Logistik der Technischen Universität Hamburg (TUHH) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Die ersten Projektergebnisse zeigen, dass die Nutzer in die Technologieentwicklung eingebunden werden müssen. Der akute Fahrermangel in der Logistikbranche stellt die Transportunternehmen vor große Herausforderungen. Das Projekt konnte zeigen, dass die künftigen Nutzer das teilautomatisierte Fahren, bei dem die Fahrerkabine als „mobiles Büro“ fungieren soll, als nicht realistisch ansehen. Vielmehr benötigen die Unternehmen ein vollautomatisiertes Transportmittel ohne Fahrer, um die zunehmende Güternachfrage bedienen zu können.
Damit verändert sich auch die Bedeutung des sogenannten "Platooning" der Lkw. Platooning bedeutet, dass mehrere Fahrzeuge im Konvoi mit jeweils einem Fahrer im Fahrzeug in sehr geringen Abständen von etwa zehn Metern hintereinanderfahren. Ziel ist es, Treibstoff einzusparen und den Fahrer zu entlasten. Die Projektergebnisse zeigen jedoch, dass das Platooning lediglich zur Bewältigung von Lastspitzen betriebswirtschaftlich interessant ist. Für die Logistikunternehmen könnte die Technologie zu Engpässen an der Rampe auf dem Industriehof führen. Bereits heute sind Be- und Entladeprozesse zeitlich so knapp getaktet, dass es in der Regel zu Verzögerungen und Wartezeiten für die eintreffenden Lkw kommt. Ein Ankommen von mehreren Lkw gleichzeitig, könnte zu einer Überforderung des Unternehmens führen.
Als Einsatzgebiete für vollautomatisierte, vernetzte Lkw sehen die Wissenschaftler die Autobahnstrecken im sogenannten Systemverkehr zwischen Depots und Logistikzentren oder deren Autobahn-Zufahrtsstrecke. Hier ist der Transport in hohem Maße standardisiert und bietet sich deswegen für die Einführung der neuen Technologie an. Lohnkosten für die Fahrer machen dabei etwa 30 bis 40 Prozent der Transportkosten aus, die durch einen fahrerlosen Transport entfallen würden. Während im Systemverkehr mit Serviceleistungen durch den Fahrer beim Kunden kaum Geld verdient werden kann, sind diese auf der ersten und der letzten Meile sehr lukrativ für Logistikunternehmen. Deshalb und weil die Fahrten dort weniger standardisiert ablaufen, haben automatisierte und vernetzte Lkw auf diesen Strecken mittelfristig geringe Durchsetzungschancen.
Das Projektteam ist noch einen Schritt weitergegangen: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich auch mit der Frage beschäftigt, wie verschiedene Szenarien aussehen können, bei denen vollautomatisierte Lkw auf Deutschlands Straßen unterwegs sind. In einem ersten Szenario wurde unterstellt, dass nur auf Autobahnen automatisch gefahren werden darf. Für den Anfahrtsweg vom Depot zur Autobahn würden immer noch bemannte Lkw eingesetzt. Damit sind spezielle Flächen an der Autobahn nötig, auf denen die Fahrer die Fahrzeuge abstellen.
Um diese Flächen zu bauen, sind entsprechende Infrastruktur-Investitionen notwendig. Gleichzeitig würden jedoch Lkw-Parkflächen entlang der Autobahn wegen der wegfallenden Lenkzeitenregelung nicht mehr benötigt und könnten nachfragegerecht zurückgebaut werden.
In einem zweiten Szenario werden die fahrerlosen Fahrzeuge auch auf der Anfahrtsstrecke zwischen Depot und Autobahn eingesetzt. Spezielle Umschlagflächen sind hier nicht mehr notwendig. Es sind jedoch speziell von Seiten der Politik Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein fahrerloses Fahren auf allen öffentlichen Straßen zulassen.
Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass insbesondere juristische und organisatorische Anpassungen erforderlich sind, um ein automatisiertes und vernetztes Fahren für die Logistikunternehmen gewinnstiftend zu ermöglichen.
Im Projekt ATLaS untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Hamburg und des DLR, wo Unternehmen, die im Güterverkehr aktiv sind, Chancen für mehr Wertschöpfung durch Digitalisierung und Automatisierung sehen. ATLaS wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert. Das Projekt ist im August 2017 gestartet und endet im Juli 2019.
Kontakt:
Sandra Lunkeit
Institut für Verkehrsplanung und Logistik (TUHH)
Tel.: +49 40 42878 3903
Mail: sandra.lunkeit@tuhh.de
Text: DLR
TUHH - Pressestelle
Jasmine Ait-Djoudi
E-Mail: pressestelle@tuhh.de
Tel.: +49 40 428 78 3458