Phänomen Monsterwelle: TUHH-Experte Norbert Hoffmann im Gespräch

21.11.2016

Foto: TUHH

Stürme, Vulkanausbrüche, Börsencrashs: Extremereignisse haben viele Gesichter. Professor Norbert Hoffmann von der Technischen Universität Hamburg (TUHH) ist einer der führenden Experten für das Extremereignis Monsterwelle. Ein Gespräch über Ursache und Wirkung dieser Kaventsmänner.

Was genau ist eine Monsterwelle?

In der Meereskunde unterscheidet man grundsätzlich zwischen Küstenwellen und Wellen, die spontan auf dem offenen Meer auftreten. Die Wellen, die etwa Surfer gerne mögen, die 30 Meter vom Tal zum Kamm haben, das sind für die Surfer natürlich auch Monsterwellen. Aber für uns Wissenschaftler sind das eben auch relativ vorhersagbare Wellen. Für uns sind Monsterwellen diese spontan auftretenden, seltenen Ereignisse. Die sind vor allem bekannt im tiefen Wasser draußen auf dem Ozean. Da spricht man von einer Monsterwelle, wenn die Wellenhöhe vom Tal zum Kamm ungefähr zweieinhalb bis dreimal so groß ist wie die mittlere Wellenhöhe. In einem Sturm mit Wellen von zehn Metern mittlerer Wellenhöhe müsste eine Welle also ungefähr 25 bis 30 Meter messen, um in die Kategorie Monsterwelle zu passen.

Was erforschen Sie zu diesem Phänomen an der TUHH?

Wir sind bei den Grundlagen der Wellenphysik anzusiedeln, fragen uns: Wo kommen diese Wellen eigentlich her? Was sind die Entstehungsmechanismen? Wir erstellen Modelle am Computer und führen Versuche durch, stehen also zwischen dem reinen Ingenieursbereich, den Mathematikern, den Physikern und vielleicht noch den Ozeanographen. Darüber hinaus gibt es noch einen technologischen Ableger unserer Arbeit. Da sprechen wir dann von Wellenvorhersage und über die Frage: Was macht man mit diesen Wellen, wenn es sie dann gibt?

Und – was macht man?

Die erste Reaktion der alten Hasen aus der Seefahrt ist ja immer: Da können wir eh nichts machen. Festhalten halt (lacht). Da ist natürlich auch viel dran, weil die Reaktionszeiten nicht so lange ist.

Wenn überhaupt, könnte man also nur im Minutenbereich vorhersagen?

Das ist tatsächlich eine spannende Frage, die bis vor vielleicht fünf Jahren gar nicht so richtig gestellt wurde, einfach, weil man gar nicht darüber nachgedacht hat, ob eine Vorhersage überhaupt machbar wäre. Jetzt ist eigentlich klar, dass man Wasserwellen auch bei Sturm sehr gut vorab berechnen kann. Wenn man wüsste, wie die Meeresoberfläche aussieht, dann könnte man fünf bis zehn Minuten vorhersagen. Und das könnte reichen, um eine valide Warnung abzugeben, dass ein besonderes Wellenereignis bevorsteht.

Wie relevant sind diese extremen Ereignisse für den Schiffbau?

Festigkeit mit Wasserschlag war schon immer ein großes Thema. Und die Schiffe sind da auch schon viel besser geworden. Bis in die 50er, 60er Jahre gibt es ja gut dokumentierte, schwere Schadensbilder. Dann gab es ein paar mysteriöse Untergänge, bei denen vielleicht ein Fenster eingeschlagen wurde, das Schiff dann aus irgendwelchen Gründen nicht mehr manövrierfähig war und über Sekundärschaden komplett verloren gegangen ist.

Von welcher Kraft reden wir denn hier?

Wenn das Wasser erst einmal frei fliegt, die Welle gebrochen und das Wasser nicht mehr an die Wellenbewegung gebunden ist, wiegt jeder Kubikmeter eine Tonne. Wenn also ein paar Kleinwagen auf einer relativ kleinen Fläche auftreffen, kann man wenig machen.

Einfach gut festhalten scheint dann nicht mehr zu reichen.

Nein. Ganz sicher nicht. Es gibt eine ganze Menge Effekte, die man in der Wechselwirkung von Schiffsdynamik und Wellen nicht haben will. Mit dem Schiff auf einem Wellental aufschlagen zum Beispiel. Oder, dass diese Mengen an freifliegendem Wasser überhaupt an Bord kommen und in die Aufbauten gehen. Da sind einfach sehr große Kräfte im Spiel. Wasser ist halt hart. Wenn die großen Wellen brechen, dann ist der Begriff „weiße Wand“ durchaus wörtlich zu nehmen.


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