Schwarmforschung en vogue

TUHH forscht an autonomen Unterwasserfahrzeugen im intelligent vernetzten Flottenverband

05.06.2015

So sehen sie aus, die 30 Zentimeter langen Unterwasserroboter, die im Schwarm unterwegs sein werden
So sehen sie aus, die 30 Zentimeter langen Unterwasserroboter, die im Schwarm unterwegs sein werden Grafik: TUHH/Solowjow

Immer wieder verblüfft die Natur mit hochkomplexem Verhalten bei Tieren, die in großen Gruppen leben. Mit nur wenigen Regeln organisiert sich ein Fischschwarm, um etwa einem Feind zu entfliehen. Tausende von Kilometern legen Vogelschwärme auf dem Flug von Afrika zu ihren Nistplätzen in Europa zurück. Fasziniert von diesem Verhalten, versuchen Menschen diese Technik für ihre Zwecke zu kopieren. So ist die Schwarmforschung en vogue und hat auch Eingang in die Forschung an der Technischen Universität Hamburg (TUHH) gefunden.
In Berührung mit dem Bereich der Schwarmforschung kam der TUHH- Maschinenbaustudent Eugen Solowjow während seiner Diplomarbeit im Jahr 2012 an der University of California in Berkeley, die von Professor Edwin Kreuzer, dem ehemaligen Leiter des Instituts Mechanik und Meerestechnik, und Axel Hackbarth, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mitbetreut wurde. Nach seiner eigenen Diplomarbeit an der UC Berkeley beschloss Hackbarth 2009 – zurück an der TUHH – die Technik autonomer Flugdrohnen auf die Unterwasserumgebung zu übertragen. Heute, Solowjow arbeitet mittlerweile als wissenschaftlicher Mitarbeiter am TUHH-Institut Mechanik und Meerestechnik, sind Hackbarth und er Kollegen und forschen gemeinsam unter der Betreuung von Professor Kreuzer an dem Thema: „Autonome Unterwasserfahrzeuge im intelligent vernetzten Flottenverbund“.

Solowjow: „Der globale Trend, der vor etwa zehn Jahren losgetreten wurde, beschäftigt sich vornehmlich mit autonomen Robotern, Flugdrohnen und Autos. Nur wenig entwickelt jedoch zeigt sich die Unterwasserrobotik.“ Der Bedarf für die Unterwasserrobotik speziell im Schwarm indes steht außer Frage, denn desaströse Ereignisse im maritimen Umfeld, wie der Austritt von Gefahrenstoffen wie Öl, Chemikalien oder radioaktives Material, fordern eine schnelle Reaktion. So lagern auf dem Grund von Nord- und Ostsee tausende nach dem Krieg verklappte Fässer und Bomben mit chemischen Kampfstoffen, wie Senfgas, Zyklon B und Sarin. Diffundieren Fässer, können intelligent zusammenarbeitende, autonome Unterwasserroboter sie mit ihren sehr feinen Sensoren in kürzester Zeit ausfindig machen und melden. Solowjow: „Zudem sollen die Verteilung der Gefahrenstoffe in einer parallel zur Messung laufenden Strömungssimulation abgebildet werden. Aus dieser Vorhersage werden neue Routen für die einzelnen Fahrzeuge bestimmt.“ Gleichfalls eignet sich diese Methode der Unterwasserrobotik zur Messung von Strömungs- und Temperaturverhältnissen in der Ozeanografie wie auch zur Erkundung der Beschaffenheit des Meeresbodens als Vorbereitung für die Gründung von Offshore-Windanlagen.

Eugen Solowjow
Eugen Solowjow Foto: privat

Doch erweisen sich die Arbeitsverhältnisse unter Wasser sowohl für Menschen und als auch für Roboter als unfreundlich. Problematisch für letztere sind Rost, Wasserdrücke, schlechte Sicht und fehlende Kommunikation. Sensoren und Kamerasysteme, die in der Luft und auf dem Boden zum Einsatz kommen versagen. Auch GPS und Funk funktionieren bekanntlich im Wasser nur sehr eingeschränkt. „Eine Lokalisierung ist einzig mit aufwendigen akustischen Verfahren möglich damit der Roboter weiß, wo er sich befindet“, sagt der Doktorand und ergänzt: „Jedoch haben wir in erster Linie kein Interesse an der Entwicklung bestimmter Sensoren, die etwas messen können. Wir konzentrieren uns auf Roboter, die diese Sensoren durch den Raum, beziehungsweise durch das Wasser tragen.“ Dort erfüllen sie ihren Job und analysieren, wo sie als nächstes messen werden. Ihre Aufgabe ist getan, sobald sie ein bestimmtes Strömungsfeld aufgespürt haben.
Solowjow: „Das ist bislang in der Technik wenig erforscht und Gegenstand unserer Grundlagenforschung. Dahinter steht die Frage: Wie können wir Roboter bauen, die als Schwarm agieren und dabei die beschriebenen Aufgaben lösen.“ Schwierig wird es, das koordinierte Schwarmverhalten von beispielsweise Fischen und Vögeln auf ein technisches System zu übertragen. Die Frage die sich dem Jungforscher stellt ist, nach welchem Prinzip die Fische Informationen im Schwarm verarbeiten und darauf reagieren oder sich synchronisieren. „Das ist etwas, das wir versuchen mit unserem Robotersystem umzusetzen.“ Denn in den Tiefen des Meeres sind die Roboter auf sich alleine gestellt.

Ebenfall Thema am Institut ist die Hardwareentwicklung. Roboter, die sich wie Bienen oder Ameisen zu großen Schwärmen zusammenfinden und koordiniert verhalten können, müssen klein, billig und robust sein, zugleich aber auch über ein Minimum an Rechenkapazität verfügen sowie mit Sensorik ausgestattet sein. Derzeit sind Eugen Solowjow und Kollege Axel Hackbarth damit beschäftigt einen 30 Zentimeter langen Prototypen in finaler Version zu bauen. Die Teile dafür kommen aus dem 3D-Drucker. Im Übrigen ist die Hard- und Software des Projekts „Open Source“. „Ziel ist der Bau einer günstigen Plattform. Unsere Idee ist, den Preis deutlich unter 1.000 Euro zu halten. So kann jeder, der Interesse hat, diesen kleinen Roboter nachbauen und testen. Der Austausch mit dieser interessierten Gemeinschaft, die sich zu gleichen Teilen aus Wissenschaftlern, Industrie (vor allem Start-ups in den USA) und Tüftlern zusammensetzt, ist sehr wichtig für uns, denn zur Erprobung des Roboters werden hunderte von Schwimmstunden benötigt.“

Getestet werden die Prototypen zurzeit in einem Wasserbecken des Instituts, später in einem Hamburger Schwimmbad und schließlich in einem Wassertank der University of Maryland. Dort kooperiert das TUHH-Institut mit dem US-Wissenschaftler Professor Derek Paley, der den Wassertank für Forschungszwecke zur Verfügung stellt. Ausgestattet mit zahlreichen Unterwasserkameras und Messsystemen ist das Becken einzigartig. Selbst die zivile US-Bundesbehörde für Raumfahrt und Flugwissenschaft/NASA testet dort Geräte. Wenn diese Etappenziele erfolgreich gemeistert sind, soll das System auch in Gewässern wie Elbe, Nord- oder Ostsee eingesetzt werden.

Kontakt:

Dipl.-Ing. Eugen Solowjow
Institut Mechanik und Meerestechnik
Hamburg University of Technology (TUHH)
Eißendorfer Straße 42 (M), office 0517
21073 Hamburg
www.tuhh.de/mum
e-mail: eugen.solowjow@tuhh.de
tel: +49 (40) 4 28 78 - 27 02

See also: http://www.tuhh.de/mum ... water-sensing-vehicles.html


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E-Mail: pressestelle@tuhh.de