Power to Liquid Anlage im industriellen Maßstab geplant

Industriekonsortium auf dem Weg zu grünem Kerosin

15.04.2019

Foto: BP Europa SE

Ein Förderantrag zum Bau einer industriellen Demonstrationsanlage und gemeinsame Forschung – darauf haben sich heute namhafte Partner im Rahmen einer Absichtserklärung unter dem Titel GreenPower2Jet (GP2J) verständigt. Ziel des Projektes ist es, nach einem erfolgreichen Pre-Engineering, eine industrielle Power to Liquid-Anlage (PtL) zu bauen, die vor allem nachhaltige synthetische Kohlenwasserstoffe liefert, um grüne, klimaneutrale Flugkraftstoffe zu produzieren. Die Technische Universität Hamburg (TUHH), Airbus, BP mit BP Lingen und Air BP, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Dow und Hoyer Logistik beteiligen sich damit an dem vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) ausgeschriebenen „Ideenwettbewerb Reallabore der Energiewende“.

Der Verkehrssektor steht vor der großen Aufgabe, die Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahren deutlich zu reduzieren, um so die Pariser Klimaziele zu erreichen. Hierzu muss die Energie-Effizienz weiter erhöht werden, um zu einem geringeren Energieverbrauch für den Transportsektor zu gelangen. Ein Schlüssel zum Erfolg der Mobilität von morgen können unter anderem elektrische Antriebsformen im Straßenverkehr wie beispielsweise Elektroautos oder E-Scooter sein, sofern diese mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Im Flugverkehr lassen sich Triebwerke und Kerosin jedoch nicht so einfach durch Elektromotoren und Batterien ersetzen.

„Das liegt daran, weil alternative Antriebe fehlen und die Energiedichte von Batterien weit von der des Kerosins entfernt ist“, sagt Siegfried Knecht, Vorstandsvorsitzender der Luftfahrtinitiative aireg. Daher sind die Fluggesellschaften auf Erdöl-basierten Flugtreibstoff angewiesen mit dem Nachteil der damit verbundenen Treibhausgasemissionen. Doch gerade der Flugverkehr wird künftig weiter deutlich wachsen, laut der Prognose des Branchenverbandes IATA mit ca. 3,5 Prozent pro Jahr weltweit für die nächsten Jahrzehnte.

Deshalb steht die Produktion von nachhaltigen Flugtreibstoffen im Fokus des aktuellen Engagements des GP2J-Konsortiums. Damit die Treibhausgasemissionen in der Luftfahrt nachhaltig und massiv reduziert werden können – trotz des vorhersehbaren Wachstums – muss es Projekte wie GP2J geben, um Kerosin auf Basis der PtL-Technik breit in den Markt einzuführen. Dabei beschreibt PtL (Power-to-Liquid) unterschiedliche technische Prozesse, die die nachhaltige Herstellung flüssiger Kraftstoffe zum Ziel haben. Das geschieht durch den Einsatz von „grüner“ elektrischer Energie, die wesentlich zur Senkung von Treibhausgasemissionen beiträgt, da sie aus der Nutzung regenerativer Energiequellen stammt. Im Idealfall kann so klimaneutrales Kerosin produziert werden.

Daher ist Know-how aus unterschiedlichen Bereichen gefragt. Zum Konsortium gehören deshalb neben der TUHH als Projektkoordinator auch Airbus, BP, Air BP, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Dow und Hoyer Logistik sowie als potenzielle Abnehmer für den produzierten Kraftstoff DHL, easyJet, unterstützt durch den Flughafen Hamburg, GDH Transport und Containerlogistik und die Flotte Hamburg. Geplant ist, die Projektidee über eine Förderdauer von fünf Jahren zu verwirklichen.

In einem ersten Schritt und nach einer 6-monatigen Pre-Engineering-Phase kann im Einvernehmen der Partner bis ca. 2021/22 eine industrielle PtL-Anlage auf Basis der sogenannten Fischer-Tropsch Synthese beim Material-Science-Unternehmen Dow in Stade entstehen. Die dort produzierten synthetischen Kohlenwasserstoffe sollen als Grundlage für die weitere Produktion an die BP Raffinerie Lingen geliefert, die eine Aufbereitung durchführt und daraus grünen, klimaneutralen Flugkraftstoff produziert. Geplant ist, diesen Treibstoff am Hamburger Flughafen auf regelmäßig geflogenen Strecken und für die Erstbetankung von Airbus-Flugzeugen in Hamburg-Finkenwerder zu nutzen. Zusätzlich wird aus den verbleibenden Nebenprodukten „grüner“ Diesel erzeugt, der dann im schweren Güterfernverkehr und auf Schiffen des Hamburger Hafens eingesetzt wird. Nach heutigen Maßstäben ist keines der Produkte aus dem so erzeugten Portfolio wirtschaftlich herstellbar und daher sind regulatorische Anreize und Fördermittel notwendig, damit diese für die Erreichung anspruchsvoller THG-Minderungsziele wichtige Technologie weiterentwickelt wird.

Ulf Neuling von der TUHH, der den Projektantrag koordiniert: „Durch dieses Vorhaben kann erstmals eine signifikante Menge an PtL-Produkten in Deutschland erzeugt und verkehrsträgerübergreifend – im Luftverkehr, auf dem Wasser und im schweren Straßengüterverkehr – genutzt werden.“

Die Experten möchten im Rahmen des Reallabors in Erfahrung bringen, inwieweit sich der Einsatz der PtL-Technik wirtschaftlich und ökologisch optimieren lässt bzw. wie die energiewirtschaftlichen Bedingungen sein müssten, damit derartige Konzepte tragfähig werden.

Auch wenn die finalen Investitionsentscheidungen noch nicht getroffen sind, betreten die Beteiligten mit der Herstellung von PtL-Kraftstoffen kostenintensives und technisch äußerst anspruchsvolles Neuland, das zukunftsweisende Innovationen nach Norddeutschland und die Umwelt einen großen Schritt nach vorne bringt.

Airbus ist ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich Luft- und Raumfahrt sowie den dazugehörigen Dienstleistungen. Der Umsatz betrug € 64 Mrd. im Jahr 2018, die Anzahl der Mitarbeiter rund 134.000. Airbus bietet die umfangreichste Verkehrsflugzeugpalette. Das Unternehmen ist europäischer Marktführer bei Tank-, Kampf-, Transport- und Missionsflugzeugen und eines der größten Raumfahrtunternehmen der Welt. Die zivilen und militärischen Hubschrauber von Airbus zeichnen sich durch hohe Effizienz aus und sind weltweit gefragt.

Die BP Europa SE beschäftig in Deutschland rund 4.600 Mitarbeiter und deckt mit rund 30 Millionen Tonnen Mineralölprodukten der Marken Aral, BP und Castrol knapp ein Viertel des jährlichen Bedarfs der Bundesrepublik ab. BP betreibt das zweitgrößte Raffineriesystem in Deutschland. Dazu zählen die BP Raffinerien in Lingen sowie die Werke Gelsenkirchen Scholven und Horst.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist das Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland für Luft- und Raumfahrt. Seine umfangreichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in Luftfahrt, Raumfahrt, Energie, Verkehr, Sicherheit und Digitalisierung sind in nationale und internationale Kooperationen eingebunden. Das DLR-Institut für Verbrennungstechnik am Standort Stuttgart verfügt über umfassendes Know-how im Bereich der alternativen Brennstoffe: Es entwickelt Technologien und Design-Werkzeuge, um flüssige und gasförmige alternative Brennstoffe sauber und effizient nutzen zu können. Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die technische Analyse und Bewertung von neuartigen Kraftstoffen für Luftfahrt, Raumfahrt, Energie und Verkehr sowie Untersuchungen zur Schadstoffbildung mit besonderem Fokus auf Ruß.

Seit über 50 Jahren ist das amerikanische Unternehmen Dow in Deutschland aktiv. Die erste Vertriebsniederlassung wurde im Jahr 1960 in Frankfurt am Main eröffnet. Heute beschäftigt das Unternehmen rund 3.600 Mitarbeiter an 13 Standorten. Dazu gehören Produktionsanlagen, Vertriebsbüros sowie Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen. Die größten Produktionsstandorte liegen in Niedersachsen (Stade) sowie in Sachsen (Böhlen) und Sachsen-Anhalt (Schkopau). Insgesamt betreibt Dow 38 Produktionsstandorte in 15 Ländern in der Region EMEAI (Europa, Mittlerer Osten, Afrika und Indien) und erzielte 2018 in Europa einen Nettoumsatz von 17,4 Milliarden US-Dollar.

Die Unternehmensgruppe Hoyer ist eines der größten mittelständischen konzernunabhängigen Unternehmen der Branche in Deutschland. Mehr als 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gruppe sind an den verschiedenen Standorten tagtäglich damit beschäftigt, den immer größer werdenden Kreis von inzwischen weit über 250.000 Stammkunden mit Mineralölprodukten und Flüssiggas zu versorgen. Zum Portfolio als Rund-um-Energie-Versorger zählen außerdem Strom und leitungsgebundenes Erdgas.

Das Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE) ist ein Institut im Studiendekanat "Verfahrenstechnik" der Technischen Universität Hamburg (TUHH). Es befasst sich schwerpunktmäßig mit Fragen der Energie- und Umwelttechnik sowie der Technik-, Umwelt- und Wirtschaftlichkeitsbewertung von Prozessen zur Bereitstellung fossiler und regenerativer Energieträger, bei industriellen und gewerblichen Produktions- sowie bei technikinduzierten Umweltprozessen. Aus diesem Themenfeld resultiert eine Vielzahl an anzuwendenden bzw. zu entwickelnden Methoden und Verfahren.

Text: U. Neuling


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