Kleine Schäden große Katastrophen

Mit Professor Uwe Starossek forscht an der TU Hamburg-Harburg ein internationaler Experte für die Statik von Brücken

17.05.2010

Prof. Dr.-Ing. Uwe Starossek
Prof. Dr.-Ing. Uwe Starossek
Foto: TUHH/Jupitz

Als 1992 in Seoul die Haeng-Ju Grand Bridge einstürzte, war der Auslöser ein vergleichsweise kleiner Schaden: Eine einzige Hilfsstütze an einem der elf Brückenfelder hatte nachgegeben - und das ganze Bauwerk zum Einsturz gebracht. Bauingenieure sprechen in solchen Fällen, wenn kleine Ursachen große Schäden zur Folge haben, von einem "progressiven Kollaps". Ein international anerkannter Experte auf diesem Gebiet ist Prof. Dr. Uwe Starossek vom Institut für Baustatik und Stahlbau der TU Hamburg-Harburg (TUHH).

So haben Starossek und sein Team standardisierte baustatische Entwurfsverfahren zur Verhinderung von progressiven Kollapsen entwickelt. Diese wurden erstmals beim Bau der Confederation Bridge angewandt. Die 13 Kilometer lange Brücke an der kanadischen Atlantikküste ist entsprechend eines Vorschlages des TUHH-Wissenschaftlers mit sogenannten Sollbruchfugen ausgestattet worden, um einen beginnenden Kollaps rechtzeitig zum Stillstand bringen zu können. "Grundsätzlich geht es dabei immer darum, zwei widerstrebende Ziele ins Gleichgewicht zu bringen: Sicherheit und Wirtschaftlichkeit", sagt Starossek. Die Ergebnisse seines Teams finden international Beachtung und bilden zum Beispiel auch die Grundlage eines entsprechenden Normenentwurfs der American Society of Civil Engineers.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt von Professor Starossek sind Technologien zur Schwingungsreduzierung von Brücken. "Die von uns entwickelten Geräte verhindern die Schwingungen weitgehend und ermöglichen zugleich schlanke und filigrane Brücken", sagt er. Pannen, wie sie bei der Einweihung der Millennium-Bridge über die Themse in London aufgetreten sind, hätten damit verhindert werden können. Als an diesem Tag die ersten Fußgänger über die Brücke gingen, begann diese unerwartet bedrohlich zu schwingen. Noch am selben Tag musste die Brücke geschlossen werden, und wurde erst zwei Jahre später nach Umbaumaßnahmen wieder eröffnet. Aber nicht nur für durch direkte Belastungen ausgelöste Schwingungen sind diese Geräte im Inneren einer Brücke geeignet, sondern auch für solche, die durch Wind hervorgerufen werden. Die erforderlichen Untersuchungen werden an der TUHH im eigens auch dafür gebauten Windkanal durchgeführt. Professor Starossek: "Nur im Windkanal können wir die verschiedenen Windströmungseffekte genau studieren." Die auf dieser theoretischen Basis entwickelten Vorrichtungen zur Schwingungsreduzierung von Brücken sind in der Bauwirtschaft gefragt. Diese sind inzwischen zum Patent angemeldet und die Lizenzrechte an eine internationale Baufirma verkauft worden.

Untersuchung eines Brückenmodells mit Vorrichtung zur Schwingungsreduzierung im Windkanal.
Untersuchung eines Brückenmodells mit Vorrichtung zur Schwingungsreduzierung im Windkanal.
Foto: TUHH/Jupitz

Neue Technologien für größere Brücken sind ein weiteres Gebiet, auf dem Starossek forscht. War die Humber-Brücke in England bei ihrer Eröffnung 1981 mit 1482 Metern Spannweite damals die längste Hängeseil-Brücke der Welt, wurde sie 1994 durch die Akashi-Kaikyo-Brücke in Japan mit fast zwei Kilometern Spannweite übertroffen. Doch längst existieren Pläne, Brücken mit Spannweiten bis zu fünf Kilometern zu bauen. Am Institut für Baustatik und Stahlbau untersucht das Forscherteam um Starossek, wie sich außerordentlich lange Brücken den Naturgewalten von heftigen Stürmen bis hin zu Erdbeben widersetzen können. Auch auf diesem Gebiet hat der Statiker Starossek mehrere Lösungen entwickelt und teilweise bereits patentieren lassen. "Mit unseren dynamischen und aero-dynamischen Vorrichtungen können die gefährlichen Schwingungen der Brücke unterdrückt werden", sagt er. So werden zum Beispiel im Brückenkörper selbst bewegliche Massen angebracht, die gegebenenfalls Kräfte auslösen und dadurch die Schwingungen dämpfen. Oder es werden bewegliche Klappen an die Brückenseiten montiert, die - ähnlich wie bei einem Flugzeug - die Luftströmungen verändern und letztendlich die gewünschte Schwingungsberuhigung erzielen. Um die Wirksamkeit dieser Vorrichtungen effektiv zu testen, werden mit Computersimulationen verschiedene Szenarien durchgespielt. Dennoch ist das Experiment unverzichtbar und damit der Bau maßstabsgetreuer Modelle, mit denen die Experimente im Windkanal durchgeführt werden. Erst auf dieser Basis können die Wissenschaftler Rückschlüsse auf die verschiedenen Windströmungseffekte ziehen.

Kontakt:
Institut für Baustatik und Stahlbau
Prof. Dr. Uwe Starossek
Tel.: 040/42878-3976
E-Mail:
starossek@tuhh.de

Siehe auch: http://www.tuhh.de/sdb


TUHH - Pressestelle
Jutta Katharina Werner
E-Mail: pressestelle@tuhh.de